Kurdische Sprachverbände: Friedensprozess braucht kulturelle Gleichstellung

Im Rahmen des Friedensdialogs pochen kurdische Sprachverbände auf die Anerkennung des Kurdischen als Bildungs- und Amtssprache. Nur so könne ein gleichberechtigtes Miteinander gelingen.

Muttersprache statt Assimilation

Im Zuge der Debatten um den „Prozess für Frieden und eine demokratische Gesellschaft“ fordern kurdische Sprach- und Bildungsorganisationen gesetzliche Reformen, um die Gleichstellung des Kurdischen im Bildungs- und Verwaltungswesen zu gewährleisten. Insbesondere das Recht auf muttersprachlichen Unterricht gilt als eine der zentralen Forderungen für einen nachhaltigen gesellschaftlichen Wandel.

Duygu Özbay, Ko-Vorsitzende des Ortsverbands der Bildungsgewerkschaft Eğitim Sen in Amed (tr. Diyarbakır), kritisiert das bestehende Bildungssystem in der Türkei als „monistisch und assimilatorisch“: „Das türkische Bildungssystem basiert auf einem Modell der Einheitlichkeit – eine Sprache, ein Glaube, ein Geschlecht, ein Volk. Solche Systeme verfestigen gesellschaftliche Ausgrenzung und Gewalt.“

Als positives Beispiel nennt Özbay den Bildungswandel in Ruanda nach dem Genozid von 1994: „Vor dem Genozid war der Lehrplan von ‚Wir gegen sie’-Narrativen geprägt. Erst nach dem politischen Umbruch wurde mit einem inklusiven Bildungsprogramm begonnen – mit positiven Auswirkungen auf den gesellschaftlichen Zusammenhalt.“

Özbay sieht in der Umgestaltung des Bildungswesens eine Grundvoraussetzung für jeden Friedensprozess: „Die Anerkennung von Sprachenvielfalt und die Aufnahme demokratischer Grundwerte in den Unterricht müssen Teil einer umfassenden Verfassungsreform sein.“

Duygu Özbay (l.) und Remzi Azizoğlu

Auch Remzi Azizoğlu, Ko-Vorsitzender des Sprach- und Kulturforschungsvereins Mezopotamya (MED-DER), fordert konkrete Schritte zur Gleichstellung des Kurdischen im öffentlichen Leben: „Die Sprache eines Volkes zu verbieten oder zu ignorieren, bedeutet, es seiner Identität zu berauben. Wenn wir von einem würdevollen Frieden sprechen, muss Kurdisch sowohl Bildungs- als auch Amtssprache werden.“

Azizoğlu verwies auf strukturelle Benachteiligungen kurdischer Schüler:innen: „Kinder starten ihre Bildungslaufbahn auf Türkisch, was zu Verzögerungen und Benachteiligung führt. Das behindert ihre Entwicklung.“ Die aktuelle Politik des Staates sei das Resultat einer hundertjährigen Praxis der Verleugnung: „Die Republik wurde auf der Leugnung der kurdischen Identität aufgebaut. Dieses System ist überholt und muss durch ein gleichberechtigtes Modell ersetzt werden.“

Beide Organisationen betonen ihre Bereitschaft, sich aktiv in die laufenden gesellschaftlichen Transformationsprozesse einzubringen. Voraussetzung sei allerdings die rechtliche Anerkennung des Kurdischen als Zeichen echten Wandels und Grundlage für eine inklusive Gesellschaft.