Die Sitzung des Planungsausschusses des Regionalverbands Bodensee-Oberschwaben ist gestern von Protest begleitet worden. Unter den etwa dreißig Demonstrierenden, die sich in Horgenzell im Kreis Ravensburg vor der Mehrzweckhalle zusammengefunden hatten, waren auch drei Frauen von dem am Montagabend für 50 Stunden errichteten Klimacamp. Fast nackt protestierten die Aktivistinnen für Klimagerechtigkeit und demokratische Teilhabe und machten auf „Verfehlungen des undemokratischen Regionalverbands” aufmerksam. Eine geplante Beschlussempfehlung an die Verbandsversammlung vor der entscheidenden Ausschusssitzung kommende Woche Freitag kam allerdings nicht zustande.
Der neue Regionalplan stellt die Weichen für die Stadtentwicklung in den Landkreisen Sigmaringen, Ravensburg und dem Bodenseekreis in den nächsten 15 bis 20 Jahren. Umweltschützer:innen monieren, dass der Entwurf den von Bundes-, Landesregierung und der EU verlautbarten Klimazielen (1,5 Grad) und Nachhaltigkeitszielen nicht gerecht wird. Dieser sieht 1.100 Hektar neue Wohnbauflächen vor, für Industrie und Gewerbe wird ein Bedarf von ca. 1.200 Hektar angenommen. Auch sind zwölf neue Straßenbau-Projekte geplant. Mit diesen Vorgaben positioniert sich die Region Bodensee-Oberschwaben weit über dem Doppelten des Ziels der Bundesregierung, den täglichen Flächenverbrauch auf 30 Hektar pro Tag zu reduzieren. Der Regionalplan habe daher nicht den Klimawandel im Blick, sondern sei auf absolutes Wachstum getrimmt und damit nicht zukunftsweisend, lautet die Kritik. Der Protest ist daher entsprechend groß, über 2.700 Einwendungen aus der Zivilgesellschaft wurden gegen den Regionalplan vorgebracht. Doch die drei Fraktionen von CDU, Freie Wähler und SPD und damit die Mehrheit des Regionalverbands stehen zu dem Plan.
„Ungeschützt wie unser Alti”
„1, 2, 3, RVBO es ist vorbei“, riefen die Demonstrierenden am Mittwoch vor der Mehrzweckhalle. „Ungeschützt wie unser Alti” stand auf ihren Körpern – gemeint ist der Altdorfer Wald. Seit Ende Februar besetzen Klimagerechtigkeitsaktivist:innen diverser Initiativen nach den Vorbildern des Hambacher Forsts und des Dannenröder Walds den „Alti” im Landkreis Ravensburg, um ihn vor der vom Regionalverbund geplanten Rodung für ein Kiesabbaugebiet zu beschützen.
„Klimaschutz ist ein Muss”, steht auf dem Plakat einer Schülerin | Foto: Klimacamp Ravensburg
Protest auch gegen männliche Dominanz im Ausschuss
Der Protest in Horgenzell bezog sich aber nicht nur gegen den Regionalplan, sondern auch auf den geringen Anteil von Frauen in dem Entscheidungsgremium. „Von den 20 Mitgliedern des Planungsausschusses sind nur drei Frauen. Der Ausschuss spricht mit seinen Klimazerstörungsplänen nicht für uns”, erklärte eine Aktivistin, die in der Altdorfer Waldbesetzung als Carina bekannt ist. „Wir sind genauso ungeschützt wie unser Alti”, merkte die 24-Jährige außerdem an.
Auch in der Verbandsversammlung Bodensee-Oberschwaben sind fast ausschließlich Männer vertreten – Bürgermeister und Altbürgermeister von CDU und FWV. Die Grünen etwa haben kaum Sitze, obwohl sie in den Gemeinderäten starke Kraft sind. Auch andere Parteien sind kaum vertreten. Nur sieben aller 56 Stimmberechtigten der Verbandsversammlung weiblich. Deshalb sei eine Demokratisierung des Regionalverbands unumgänglich, fordern die Klimacamper:innen: Die tatsächlichen Mehrheitsverhältnisse in den Gemeinderäten müssten von der Verbandsversammlung akkurat abgebildet werden und Frauen sollten ein Mitspracherecht erhalten.
Frauen tragen viel weniger zur Klimakrise bei als Männer
Nach einer Überblicksstudie der Leipziger Organisation „Konzeptwerk Neue Ökonomie” tragen Frauen im statistischen Durchschnitt viel weniger zur Klimakrise bei wie Männer. Zum Beispiel essen sie nur halb so viel Fleisch und fahren nur halb so viel Auto, sind gleichzeitig aber viel stärker von ihr betroffen und in den relevanten Gremien in Politik und Wirtschaft kaum vertreten. Die Sterberate bei Frauen über 65 etwa stieg bei Hitzewellen in Europa um 23 Prozent, bei Männern dagegen nur um 16 Prozent. Bei vier Fünftel der durch den klimawandel vertriebenen Menschen handelt es sich um Frauen. Dagegen sind von 790 europäischen Ministerialbeamt:innen in den Sektoren Umwelt, Verkehr und Energie nur 202 Frauen und bei den 20 größten Energieunternehmen sind die Geschäftsleitungen nur zu fünf Prozent mit Frauen besetzt.