Seit dem 25. Februar besetzen Klimagerechtigkeitsaktivist*innen diverser Initiativen nach den Vorbildern des Hambacher Forsts und des Dannenröder Walds den Altdorfer Wald in Bodensee-Oberschwaben im Landkreis Ravensburg, um ihn vor der vom Regionalverbund geplanten Rodung für ein Kiesabbaugebiet zu beschützen. Zukünftig, ab einschließlich dem 7. März, organisieren die Waldbesetzer*innen nun jeden Sonntag um 14.00 Uhr öffentliche Waldspaziergänge und Austauschrunden für interessierte Bürger*innen.
Video zu Auswirkungen der Planungen des Regionalverband-Bodensee-Oberschwaben auf den Altdorfer Wald
„Der Regionalverband ist intransparent und undemokratisch”, konstatiert die 17-jährige Waldbesetzerin Emma Junker. Dabei bezieht sie sich auf die Tatsache, dass der für die Rodung verantwortliche Regionalverband Statistiken über den Kiesexport unter Verschluss hält, bisher stets zutreffende Prognosen des Statistischen Landesamts zum Bevölkerungswachstum begründungslos diskreditiert und von 56 Mitgliedern der Verbandsversammlung nur sieben Frauen sind und Bürgemeister und Altbürgermeister von CDU und FWV stärkste Kraft bilden. „Diese Zusammensetzung bildet die tatsächlichen Mehrheitsverhältnisse in den Gemeinderäten gar nicht ab!", so Junker.
Anwohner*innen und Entscheidungsträger*innen an einen Tisch bringen
„Dem setzen wir ein radikales Alternativprogramm entgegen: Wir laden ab sofort jeden Sonntag alle interessierten Bürger*innen ein, bei einem Waldspaziergang für eine offene Austauschrunde zu uns ins Baumhausdorf zu kommen", so Junker weiter. Viele Anwohner*innen kündigten bereits vergangene Woche ihre langfristige Unterstützung an und versorgen die Waldbesetzung mit Mahlzeiten und Baumaterial. „Aber auch alle anderen Nachbar*innen sollen die Möglichkeit haben, uns kennenzulernen: Wir sind eine bunte Mischung aus Schüler*innen, Student*innen, Auszubildenden, Berufstätigkeiten und Vollzeitaktivist*innen, die möchten, dass der Wald der friedfertige Ort bleibt, der er aktuell noch ist." Im Anschluss an die Austauschrunden finden für alle Interessierten unentgeltliche Workshops zum aktivistischen Klettern und Baumhausbau statt. „Eltern und Großeltern können gerne ihre Kinder und Enkel mitbringen", lädt Junker ein.
Zu den offenen Austauschrunden sind auch Lokalpolitik und Presse geladen. „Wir hoffen, Anwohner*innen und Entscheidungsträger*innen an einen Tisch zu bringen", so der ebenfalls 17-Lorenz Geiger.
„Vielleicht entwickeln unsere Politiker*innen dann wieder ein Verständnis für die Lebensgrundlagen der Anwohner*innen und priorisieren nicht länger die Profitgier eines einzelnen Kiesexportunternehmens. Die natürliche Waldatmosphäre könnte helfen, dass diese Runden nicht zu den sonst von der Politik bekannten Teufelskreisen degradieren."
Der Zerstörungswut entgegen stellen
Anlass für die Waldbesetzung sind die Rodungspläne des Regionalverbands. „Obwohl wichtig für die Trinkwasserversorgung und Staub- und CO₂-Bindung, soll der Wald einer Kiesgrube mit 90 Meter hoher Abbruchkante weichen", erklärt Geiger den Grund der Besetzung. „Dieser Zerstörungswut stellen wir uns entgegen."
Mittlerweile gibt es drei Wohnplattformen, die zu mehrstöckigen Baumhäusern ausgebaut werden, ein Baumzelt und eine Materialplattform. Über Traversen und Baumwipfelpfade (Walkways) sind die verschiedenen Orte des Baumhausdorfs miteinander verbunden. „Tagsüber ist immer viel los", freut sich Geiger über die vielen Unterhaltungen mit unterstützenden und neugierigen Bürger*innen.
Der Altdorfer Wald?
Der Altdorfer Wald ist das größte zusammenhängende Waldgebiet in Oberschwaben. Er liefert Sauerstoff zum Atmen, filtert Hunderttausende von Tonnen an Staub und CO₂, ist Helfer beim Klimaschutz, hat starken Einfluss auf das regionale Klima, speichert Regenwasser in unvorstellbaren Mengen, liefert Trinkwasser aller bester Qualität, ist Naherholungsgebiet, Abenteuerspielplatz und ein wichtiger Faktor für die Forstwirtschaft vor Ort.
Titelfoto: Altdorfer Waldbesetzung