Vollhöfner Wald „Völli” bleibt!

In Hamburg soll ein 45 Hektar großes Naturparadies an der Alten Süderelbe zerstört werden, um Platz für weitere Logistikflächen zu schaffen. Gegen die Rodung des „Völli“ genannten Vollhöfner Waldes formiert sich Protest.

Der „Völli“ – der Vollhöfner Wald – an der Alten Süderelbe in Hamburg soll für Logistikflächen weichen. Der Senat hat das rund 45 Hektar große Naturparadies schon vor Jahren als Hafenerweiterungsfläche deklariert. Klimaschutzverbände befürchten, dass die Hafenverwaltung in den nächsten Tagen mit der Rodung von 23.000 Bäumen beginnt, um Platz für Lagerhallen zu schaffen. Der Lebensraum unzähliger Tiere und Pflanzen steht auf dem Spiel.

Der Vollhöfner Wald befindet sich in Hamburg-Altenwerder im Bezirk Harburg, zwischen Alter Süderelbe und der Straße Vollhöfner Weiden. Seine Größe entspricht etwa 65 Fußballplätzen, womit er damit knapp so groß ist wie die Parkanlage Planten un Blomen (47) in Hamburgs Zentrum. Auf Spülfeldern aus Sand und Kies der Hafenerweiterung ist nach etwa 50 Jahren mit dem Vollhöfner Wald ein natürlich gewachsener und nahezu unberührter Laubmischwald entstanden.

Ganz in der Nähe liegen die Naturschutzgebiete „Moorgürtel“ und „Alte Süderelbe / Westerweiden“. Auf den Stadtportal hamburg.de, der offiziellen Internetpräsenz für die Freie und Hansestadt Hamburg, wird unter anderem auch zum Umwelt- und Naturschutz in Hamburg Stellung bezogen. Dort heißt es: „Der Schutz dieser Arten gelingt aber nur, wenn ausreichend große Lebensräume erhalten werden. Sie müssen mit anderen naturnahen Lebensräumen (…) vernetzt sein. Allein der Aufbau großer vernetzter Biotopsysteme bietet eine Perspektive, langfristig stabile Lebensgrundlagen für die heimischen Tiere und Pflanzen zu schaffen.“[1] Das heißt, einzelne Naturschutzgebiete allein stellen keinen Schutz für Tier und Pflanzenwelt dar. Es muss eine Vernetzung zwischen ihnen geben, um den Genaustausch zwischen lokalen Populationen zu ermöglichen und diese so vor dem Aussterben zu bewahren. Genau hier greift der Vollhöfner Wald. Ihm kommt eine wichtige Rolle als Korridor zwischen den Naturschutzgebieten zu. Im gesamten Süderelberaum gibt es keine mit dem Vollhöfner Wald vergleichbar großen Waldbestände. Der BUND geht davon aus das der Wald jährlich 560 Tonnen CO2 speichert und an dessen Stelle Sauerstoff generiert.

Natürliche Waldentwicklung, da unberührt von Menschenhand

Die „Klimaschutzinitiative Vollhöfner Wald“, die sich für den Erhalt des „Völli“ einsetzt, weist auf die natürliche Waldentwicklung hin, die sich - da unberührt von Menschenhand -, in dem bedrohten Naturschutzgebiet beobachten lässt: „Die Pflanzenwelt wird von einem Pionierwald aus Silberweiden, Zitterpappeln und Birken dominiert, der mit aufkommendem Bergahorn und Stieleichen langsam in die nächste Waldstufe (Laub-/Mischwald) übergeht“.

Beeindruckend ist auch, wie mächtig viele Bäume sind. Aber auch die Durchmischung mit dem Holz vergangener Bäume. Menschlicher Einfluss wie in Forsten findet hier nicht statt. Sollte gerodet werden, sind etwa 23.000 Bäume betroffen. Der Vollhöfner Wald ist an seinen Seiten vom einem wasserführenden Graben und Rückwärtig vom schmalen Lauf der Alten Süderelbe umrahmt. Neben dem Wald sind hier also weitere ökologisch wertvolle Biotope wie Feuchtgebüsche, Röhrichte und Trockenrasen zu finden.

Doch im Vollhöfner Wald stehen die Lebensräume unzähliger Tiere und Pflanzen auf dem Spiel, die sich hier seit mehr als 50 Jahren völlig ungestört entwickeln konnten. Darunter Fluss-Greiskraut, Bauernsenf oder Sand-Segge, die in Hamburg auf der Roten Liste stehen und selten sind.

Bedeutender Lebensraum für Brutvogelarten und gefährdete Fledermäuse

48 Brutvogelarten wurden im Vollhöfner Wald kartiert, darunter Kleinspecht, Fitis, Neuntöter sowie Grau- und Trauerschnäpper. Einige sind zur Brut im „Völli“ und verbringen die Wintermonate in Afrika, andere bleiben. Das Gebiet ist als bedeutender Fledermauslebensraum eingestuft, mit nachgewiesenen Vorkommen der gefährdeten Mücken- und Breitflügelfledermaus und vier weiteren Arten, darunter Rauhaut- und Wasserfledermaus, die beide auf der Roten Liste stehen. Hinzu kommen Libellen, Tagfalter und Heuschrecken, Schnecken aller Art ebenso wie Amphibien. Ich selbst habe bei meiner Wanderung durch den Wald ein bewohntes Hornissennest gesehen. Die Hornisse ist in Deutschland eine nach der Bundesartenschutzverordnung besonders geschützte Art.

Die Klimakatastrophe mit Insektenplage, Dürren und Stürmen hat uns und den Wald längst schon eingeholt. Laut einem Bericht der Weltnaturschutzunion (IUCN) ist mehr als die Hälfte der nur in Europa vorkommenden Baumarten gefährdet, darunter auch die Eberesche. Im Vollhöfner Wald sind bisher drei Stück gefunden worden. Wenn auch die eine nicht mehr aus 40 bis 50 Zentimeter misst – Fakt ist: Ist der Baum weg, ist auch alles, was in und von ihm lebt weg. Die Bundesregierung hat beim „Nationalen Waldgipfel” im September für die nächsten vier Jahre 547 Millionen Euro zur Wiederaufforstung der Wälder in Aussicht gestellt, mit denen Schäden in den Wäldern wieder aufgeforstet werden sollen. Mit Geldern aus den Ländern beläuft sich die Summe zusammen gar auf 800 Millionen Euro. In der Situation, einen natürlich gewachsenen Wald wie den Vollhöfner Wald, der gegenüber den sonst verbreiteten Wäldern mit häufig Monokulturen beste Referenzen aufweist, sich aus eigener Kraft zu erhalten abholzen zu wollen, ist, um es gelinde zu sagen: Unverständlich.

Stadt ist zur Erhaltung des Bestandsgrüns verpflichtet

Das Verhandlungsergebnis zwischen Senat und Volksinitiative „Hamburgs Grün erhalten“ besagt, dass die Stadt zur Erhaltung des Bestandsgrüns verpflichtet ist. Selbst ein von der HPA (Hamburg Port Authority), der das Gebiet gehört, in Auftrag gegebenes 90-seitiges Umwelt-Gutachten stellt fest: Der Vollhöfener Wald ist ein „nicht ersetzbares“ Naturreservat, echte Ausgleichsmaßnahmen in unmittelbarer Nähe seien „schlichtweg nicht möglich“.

Die HPA will das Gebiet zu einer Logistikfläche machen. Der Hamburger Senat hat 2016, mit den Stimmen der Grünen, die Überführung des Gebiets „Altenwerder-West” vom Hafenerweiterungsgebiet zu einem Hafennutzungsgebiet beschlossen und damit den Weg für die Rodung des Vollhöfner Waldes geöffnet. Die Naturschutzverbände Nabu und BUND legten daraufhin Rechtsmittel ein. Doch das hinderte die HPA nicht daran, im Februar erste Bodenbohrungen im Vollhöfner Wald durchzuführen. Mit dem 1. Oktober hat die jährliche Rodungssäison begonnen und die Anspannung, was denn nun mit dem Wald geschieht, zeigt Auswirkungen. Immer öfter fällt ein grünes X, mal gemalt mal als Lattenkonstuktion, auf. Das grüne X; Symbol für den Widerstand um den Vollhöfner Wald.

Die Bürgerschaftswahl in Hamburg steht im Februar an. Mit dem Kampf um den Hambacher Forst, genannt „Hambi” und der Bewegung von Fridays for Future hat sich das Bewusstsein zum Klima deutlich geschärft. Nun heißt es von Umweltsenator Jens Kerstan: „In Zeiten des Klimawandels passt es nicht, Wälder für Logistikflächen zu roden. Ich habe mich am Freitag mit Wirtschaftssenator Westhagemann auf ein Moratorium geeinigt. Er hat mir zugesichert, dass bis Februar keine Fällungen im Vollhöfner Wald stattfinden.” [2] Doch aufgeschoben ist nicht aufgehoben…

„Völli bleit“

Unter dem Schlachtruf „Völli bleit“ setzen sich der BUND und die „Klimaschutzinitiative Vollhöfner Wald“ für den Erhalt des Waldes ein und laden jeden Sonntag zum Protest mit gemeinsamen Waldspaziergang in den Vollhöfner Wald. Der Waldspaziergang dauert etwa zwei bis zweieinhalb Stunden und ist nicht barrierefrei. Festes Schuhwerk und dem Wetter entsprechende Bekleidung sind ratsam. Durch den Wald geht es über einen Trampelpfad, bei dem es auch mal über Äste und Wurzeln geht. Ich war am Sonntag mit dabei, bei Dauernieselregen. Trotz der widrigen Witterungsverhältnisse ist der Wald beeindruckend. Aktuell gibt es vor allem viele Pilze zu bestaunen. Essbare und giftige wie den Fliegenpilz, Marone oder Birkenpilz. Wegen des Naturschutzes und der Tatsache, dass der Wald auf einem Spülfeld, steht sollte man allerdings nichts mitnehmen oder essen…

Der Protest-Waldspraziergang beginnt jeden Sonntag um 11.00 Uhr an der Straße Vollhöfner Weiden (in der Kurve nahe Bushaltestelle Dradenauer Deichweg). Mit den Buslinien 146, 250, 251, zu Fuß, mit Fahrrad oder Auto ist der Startort gut zu erreichen.

Außerdem läuft eine Petition zum Erhalt des Völli: 


Anmerkungen:

[1] https://www.hamburg.de/naturschutzgebiete

[2] https://www.facebook.com/VollhoefnerWald/