In der nordkurdischen Provinz Dersim (tr. Tunceli) ist der Bau eines großflächigen Solarkraftwerks nahe des Dorfes Xecerî (Haceri) gestoppt worden. Die Firma Büyükdere Elektrik hatte auf rund 22 Hektar eine Photovoltaikanlage errichten wollen. Nach Widerstand aus der lokalen Bevölkerung und einer negativen Umweltprüfung wurde das Vorhaben nun offiziell für unzulässig erklärt.
Bereits im Mai fand in dem Dorf nahe der Provinzhauptstadt Dersims eine Anhörung mit Beteiligung der Anwohnenden statt. Die Mehrheit der Dorfbevölkerung sprach sich deutlich gegen das Projekt aus – mit Verweis auf die ökologischen und sozialen Folgen für das Weideland, das für die lokale Tierhaltung von zentraler Bedeutung ist.
Auch Behörden sehen Nutzung des Weidelandes gefährdet
Laut einem Gutachten der Umwelt-, Stadt- und Baubehörde sowie der örtlichen Landwirtschaftsdirektion würde die geplante Anlage „die gut erhaltene Weidefläche zerschneiden und die Nutzung erheblich beeinträchtigen“. Das betroffene Grundstück ist auch offiziell als hochwertiges Weideland eingestuft. Die Umweltverträglichkeitsprüfung (ÇED) wurde daraufhin negativ beschieden, das Verfahren eingestellt.
Blick auf die Weidefläche von Xecerî
Umstrittene Umweltprojekte in kurdischen Regionen
Der Fall Xecerî steht exemplarisch für zahlreiche umstrittene Energie- und Infrastrukturprojekte in den kurdisch geprägten Regionen der Türkei. Immer wieder kritisieren lokale Initiativen und Umweltgruppen, dass unter dem Vorwand von „Entwicklung“ oder „Sicherheit“ weitreichende Eingriffe in Natur und traditionelle Lebensweisen erfolgen – oft ohne die Zustimmung der betroffenen Bevölkerung.
Dazu zählen der Bau von Staudämmen, Steinbrüchen, Militärposten, Rohstoffabbau oder großflächigen Energieanlagen. In vielen Fällen dienen solche Projekte strategischen Interessen – etwa der Kontrolle über Ressourcen oder der Einschränkung von Bewegungsräumen. Insbesondere in Dersim, das historisch ein Zentrum des kulturellen Widerstands ist, werden viele dieser Eingriffe auch als Teil einer gezielten Politik der Verdrängung und Assimilation gesehen.
Menschenrechtsorganisationen wie der IHD werfen dem türkischen Staat vor, in den kurdischen Provinzen regelmäßig Umweltstandards zu unterlaufen, lokale Mitbestimmung auszuschließen und sensible Ökosysteme zu gefährden. Umweltprojekte seien dort häufig weniger an nachhaltiger Entwicklung orientiert als an geopolitischen oder ökonomischen Interessen.