„Danni“ geräumt: Der Kampf geht weiter

Die Besetzung im Dannenröder Wald ist geräumt, die letzten Bäume für die Autobahntrasse sind gerodet. Fünf Menschen befinden sich weiter in Untersuchungshaft. Die Aktivistinnen und Aktivisten kündigen die Fortsetzung ihres Kampfes an.

Heute wurde im Dannenröder Forst das Baumhausdorf „Oben“ als letztes von insgesamt elf Baumhausdörfern geräumt und die letzten Bäume im Trassenbereich gerodet. Die umstrittenen Räumungen und Rodungen für den Bau der A49 im Dannenröder, Maulbacher und Herrenlos-Wald finden nach insgesamt über zwei Monaten, begleitet von einem Großeinsatz der Polizei aus dem ganzen Bundesgebiet, zunächst ein Ende. Unter hohem persönlichen Einsatz blockierten und verzögerten hunderte Aktivist*innen tagtäglich die Arbeiten – sie kämpfen für Klimagerechtigkeit, eine sozial gerechte Verkehrswende und eine solidarische Zukunft.

„Das werden wir nie verzeihen“

„Im Jahr 2020, mitten in der Klimakrise wurde tatsächlich einer der gesündesten Mischwälder mitten im Trinkwasserschutzgebiet für eine 40 Jahre alte Autobahn gerodet – und das von einer schwarz-grünen Landesregierung. Für die Profitinteressen von Wenigen wird die Zukunft von uns allen riskiert und damit in Kauf genommen, dass bereits heute Menschen im globalen Süden an den Auswirkungen der Klimakrise sterben. Das werden wir den Grünen nie verzeihen – wir haben die Rodung zu ihrem politischen Desaster gemacht!“, so Linda Kobel aus der Waldbesetzung.

Widerstand wirkt

Quinn Frei aus der Waldbesetzung betont nach der Räumung: „Der Widerstand im Dannenröder Wald wirkt und ist erfolgreich, weil wir ihn alle gemeinsam tragen. Egal ob Anwohnende, junge Schulstreik-Aktivist*innen, Ü60-Aktivist*innen oder leidenschaftliche Anarchist*innen - hier ist eine ganze Bewegung für Klimagerechtigkeit, eine sofortige Mobilitätswende und eine solidarische Zukunft zusammengekommen. Wir haben hier viel voneinander gelernt und sind gemeinsam stärker und entschlossener denn je geworden! Wer denkt, dass die Proteste jetzt aufhören, hat die Dramatik der Klimakrise und die Stärke unserer Bewegung nicht im Geringsten verstanden.“

Traumatisiert und dazu gelernt

„Die Räumung war für alle von uns ein einschneidendes und traumatisierendes Erlebnis. Viele von uns haben ihr einziges Zuhause verloren. Einige wurden das erste Mal mit der Polizeigewalt und ihrer rücksichtslosen Konsequenz konfrontiert. Es sind immer noch Freund*innen von uns im Krankenhaus oder Gefängnis, einfach nur, weil sie sich für eine klimagerechte Welt einsetzen. Wir wissen jetzt, womit diejenigen, die von der Klimakatastrophe profitieren, ihre Interessen durchsetzen. Doch wir haben auch gelernt, wie wir uns dagegen wehren können – wir haben es gewagt, der Autoindustrie die Stirn zu bieten.”, so Mike Laif aus der Waldbesetzung.

Pressekonferenz angekündigt: Rückblick und Ausblick auf die Zukunft

Für Mittwoch haben die Aktivist*innen eine Pressekonferenz um 11 Uhr am Zaun des Polizei-Logistikzentrums angekündigt. Dabei soll „sowohl ein Rückblick als auch ein Ausblick auf die Zukunft des Widerstands“ gegeben werden. Das Protestcamp in Dannenrod wird vorläufig weiter bestehen bleiben.

Rote Hilfe: Massiver und brutaler Polizeieinsatz

Der Bundesvorstand der Roten Hilfe erklärt zu der Räumung: „Die Rodung im Dannenröder Wald wurde mit einem massiven und brutalen Polizeieinsatz durchgesetzt. Im Verlauf der fünfwöchigen Räumung sorgte der Polizeieinsatz für mehrere Schwerverletzte und gefährdete Menschenleben durch durchgeschnittene Sicherungsseile und Rodungen in direkter Nähe zu Menschen. Am 15. November durchschnitt ein Polizeibeamter ein Sicherungsseil, so dass eine Frau mehr als vier Meter in die Tiefe stürzte. Knapp eine Woche später trampelte eine Polizeieinheit so lange auf einem Seil herum, bis eine Aktivistin aus sechs Metern abstürzte. Die Polizei verursachte weitere Abstürze, die dank der Eigensicherung der Aktivist*innen und viel Glück keine Schwerverletzten und Toten forderten. In dem Einsatz verwendete die Polizei auch Taser, deren Einsatz schon auf dem Boden lebensgefährlich, in großen Höhen aber unverantwortlich ist.“

Rettungskräfte und Presse behindert

„Bei der Räumung agierte die Polizei mit äußerster Brutalität. Bei der Räumung einer Blockade am 20. November wurde ein Aktivist bewusstlos geschlagen und schwer verletzt. Immer wieder verhinderte die Polizei den Zugang von Sanitäter*innen zu den Verletzten und erschwerte regelmäßig die Berichterstattung der Presse und die politische und zivilgesellschaftliche Beobachtung. Die Deutsche Journalistinnen- und Journalisten-Union (dju) spricht von 33 Fällen von Einschränkungen in der Pressearbeit und vier körperlichen Angriffen und Schlägen gegen Journalist*innen. Eine kirchliche Beobachterin wurde bei einem Polizeieinsatz so schwer verletzt, dass sie sich ins Krankenhaus begeben musste. Bei Minustemperaturen wurde darüber hinaus mehrmals ein Wasserwerfer gegen Aktivist*innen und Umstehende eingesetzt.“

Dreizehn Haftbefehle, fünf Gefangene

„In den letzten Wochen wurde gegen 13 Personen im Zusammenhang mit ihren Protesten gegen die Rodung Untersuchungshaft verhängt. Von ihnen sitzen weiterhin noch fünf Personen in Butzbach, Frankfurt und Gießen ein. In einem Fall wird einer Aktivistin versuchter Totschlag vorgeworfen. Sie ist auf einen Baum geklettert und soll sich gegen das Herabziehen an ihren Beinen gewehrt haben. Im Fall der durch Polizeibeamte zerschnittenen Seile ermittelt die Staatsanwaltschaft dagegen wegen fahrlässiger Körperverletzung im Amt.

Die Rote Hilfe kritisierte die Sonderhaftbedingungen für die Menschen, die im Zusammenhang mit Protesten gegen die Rodung des Dannenröder Walds inhaftiert sind, bereits mehrfach. Trotz längst abgelaufener Corona-Quarantäne mussten viele Gefangene weiter 23 Stunden täglich allein in Isolation verbringen. Auch die Kontakte nach draußen wurden massiv erschwert. Mitgeschickte Fotos und Briefmarken wurden nicht ausgehändigt, Telefonate mit Anwält*innen verhindert und Briefe, Zeitungen und Bücher zurückgehalten. Zudem wurden den Gefangenen eigene vegane Mahlzeiten verweigert.

Trotz eines gerichtlichen Urteils verweigert die JVA Frankfurt zudem seit Wochen die Auszahlung von Geld der Roten Hilfe für Einkäufe von Lebensmitteln, Briefmarken und anderen Waren im Gefängnis an die Gefangenen. Die JVA Frankfurt begründete das damit, dass die Rote Hilfe im Verfassungsschutzbericht als extremistisch geführt sei. Das Amtsgericht Frankfurt verurteilte dies als rechtswidrig und forderte die JVA zur Auszahlung auf. Diese weigert sich aber und sperrt die Auszahlung des Rote-Hilfe-Gelds an die Gefangenen weiterhin.“

Mit erschreckender Systematik Menschenleben gefährdet

Anja Sommerfeld, Mitglied im Bundesvorstand der Rote Hilfe e.V., zeigt sich schockiert über die Brutalität und Rücksichtslosigkeit, mit der die Rodung gegen alle Widerstände durchgesetzt wurde. „Es ist nur großem Glück zu verdanken, dass der brutale Polizeieinsatz im Dannenröder Wald keine Todesopfer gefordert hat. Mitten in einer Pandemie wurde ein gewalttätiger und rücksichtsloser Polizeieinsatz gefahren, der mit erschreckender Systematik Menschenleben gefährdete.“

Sommerfeld kritisiert auch den großen politischen Druck, der überhaupt erst zu den Inhaftierungen führte: „Für die allermeisten Vorwürfe ist eine Untersuchungshaft selbst nach rechtsstaatlichen Minimalstandards völlig unverhältnismäßig. Die Gefangenen sitzen teilweise wegen Nötigung oder Widerstand ein. Die Inhaftierung soll einerseits andere von politischem Protest abschrecken. Andererseits soll diese faktische Beugehaft die Gefangenen mit massivem Druck erpressen, ihre Personalien zu nennen. Wir fordern die JVA auf, die Isolation und die Sonderhaftbedingungen unverzüglich aufzuheben, unser Geld an die Inhaftierten auszuzahlen und die Gefangenen sofort freizulassen. “