Journalist Sadık Topaloğlu nach Silivri verlegt

Der unlängst in der Türkei verhaftete kurdische Journalist Sadık Topaloğlu ist in den Gefängniskomplex Marmara verlegt worden. In türkischen Medien wird er als „Terrorist“ stigmatisiert.

Kriminalisierung der freien Presse

Der unlängst in der Türkei verhaftete kurdische Journalist Sadık Topaloğlu ist vom Metris-Gefängnis in den Gefängniskomplex Marmara verlegt worden. Das berichtete die Nachrichtenagentur Mezopotamya (MA), für die Topaloğlu als Korrespondent arbeitete, am Donnerstag unter Berufung auf seinen Anwalt. Die genauen Gründe für die Verlegung seien nicht bekannt.

Sadık Topaloğlu war am vergangenen Samstag wegen vermeintlichen Terrorverdachts in Istanbul verhaftet worden. Zuvor befand er sich drei Tage lang in Gewahrsam der Polizei, von der er zu Vorwürfen aus einem früheren Verfahren befragt wurde. Der frühere MA-Reporter hatte zwischen 2019 und 2020 mehrere Monate in Untersuchungshaft gesessen, weil er Mitglied der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) gewesen sein soll. Im September 2022 wurde er wegen dieser Anschuldigung zu über sechs Jahren Freiheitsstrafe verurteilt.

Das Berufungsverfahren in dem Fall ist weiter anhängig. Dennoch bezieht sich die neuerliche Verhaftung Topaloğlus auf die Vorwürfe aus dem vorangegangenen Prozess – bei dem sich der Richter hauptsächlich auf die Aussagen eines anonymen Zeugen der Staatsanwaltschaft stützte, der über das gesamte Verfahren hinweg kein einziges Mal vom Gericht vernommen wurde.

Der in Amed (tr. Diyarbakır) ansässige Journalistenverein DFG (Dicle Fırat Gazeteciler Derneği) verurteilte die Inhaftierung Topaloğlus und bezeichnete sie als juristische Schikane. Außerdem warf die Organisation türkischen Medien vor, den Journalisten mit einer „Schmutzkampagne“ öffentlich zu diskreditieren. Unter anderem die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu berichtete von einem „erfolgreichen Schlag gegen eine Aufklärungszelle der Terrororganisation“. Topaloğlu und der mit ihm verhaftete Kurde Mehmet Savaş seien führende Mitglieder der PKK, die „unter dem Deckmantel von Journalismus Terrorismus betreiben” würden.

Silivri: Internierungslager für Oppositionelle

Der Gefängniskomplex Marmara, der 2008 als Strafvollzugskomplex Silivri eröffnet wurde, gilt als größtes Gefängnis in Europa und ist berüchtigt für Übergriffe, Schikanen und Gewalt. Offiziell heißt der Bau „Campus der Strafvollzugsanstalten Marmara“. Er liegt einen Kilometer vom Marmarameer entfernt und befindet sich in der Stadtgemeinde Silivri etwa 70 Kilometer westlich von Istanbul.

Auf dem Gelände gibt es zehn einzelne Haftkomplexe mit Mehrpersonen- als auch Einzelzellen, auch für Frauen, dazu ein Krankenhaus und mehrere Gerichtssäle. Die Patrouillenstraße um das Gelände umfasst ein Gelände etwa so groß wie 200 Fußballplätze. Außerhalb der Mauern befinden sich 500 Dienstwohnungen für die Beschäftigten. Die Regierungsangaben über die Kapazität schwanken zwischen 10.000 und 13.000 Insassen. Menschenrechtsorganisationen weisen demgegenüber immer wieder auf eine Überbelegung der Zellen hin.

Oppositionelle beschreiben den Silivri-Komplex als Internierungslager, weil dort hauptsächlich Kritikerinnen und Kritiker von Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan eingesperrt werden: Medienschaffende, Politiker:innen, Wissenschaftler:innen, Jurist:innen und andere führende Köpfe der Zivilgesellschaft. Aktuell sitzen in Silivri mehr als 15.000 Häftlinge ein, die meisten sind politische Gefangene wie etwa Selçuk Kozağaçlı, Vorsitzender des Anwaltsverbands ÇHD, oder der Bürgerrechtler Osman Kavala, der 2022 zu einer erschwerten lebenslangen Haftstrafe verurteilt worden ist. Ehemalige Silivri-Gefangene sind unter anderem die stellvertretende HDP-Vorsitzende Meral Danış Beştaş, der Kölner Sozialwissenschaftler Adil Demirci und der Exil-Journalist Can Dündar.