Der türkische Innenminister Süleyman Soylu (AKP) hat eine Welle der Hetze gegen die Demokratische Partei der Völker (HDP) in den Staatsmedien losgetreten. In einer Fernsehsendung hatte Soylu Bilder vorgelegt, auf denen HDP-Abgeordnete gemeinsam mit führenden Vertreter*innen der PKK zu sehen sind. Allerdings handelt es sich bei diesen Bildern um keine „Neuentdeckung“. Stattdessen sind es Aufnahmen, die während der Friedensgespräche entstanden sind, als HDP-Abgeordnete zwischen der PKK und türkischen Regimevertretern für eine friedliche Lösung des Konflikts verhandelten. Mit der irreführenden Nutzung dieser Aufnahmen wird versucht, die Stimmung für ein HDP-Verbot anzufachen.
„Beteiligung am Dialogprozess kann nicht kriminalisiert werden“
Die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der HDP, Meral Danış Beştaş, bewertet die Kampagne des Innenministers als „Stimmungsmache“. Mit Bildern aus dem Dialogprozess werde versucht, „einen anderen Eindruck zu schaffen“. Beştaş erinnert an ein Gesetz, demnach diejenigen, die am Dialogprozess beteiligt sind, keine strafrechtliche Verfolgung befürchten müssen. Die Bilder, die Soylu zeigte, seien der Öffentlichkeit längst zugänglich.
„Es war eine der besten Zeiten in der Geschichte der Türkei“
Beştaş beschreibt die Zeit des 2015 vom Regime einseitig beendeten Friedensprozesses als etwas, das nicht zu verurteilen, sondern ganz im Gegenteil, die „beste Zeit der Türkei“ gewesen sei. Sie führt aus: „Es war eine Zeit großer Hoffnung und Vorfreude in der ganzen Gesellschaft. Es handelte sich um die Verkörperung der Sehnsucht nach einer demokratischen und gewaltlosen Türkei. In diesem Sinne standen wir immer hinter dem Friedensprozess und tun dies auch weiterhin. Wir sagen, dass die kurdische Frage und die Demokratisierung der Türkei nicht getrennt betrachtet werden können. Wir betonen nochmals, dass das kurdische Volk einen hohen Preis für seinen Kampf dafür bezahlt, gleichberechtigte und freie Menschen zu werden, und dass dieses Problem nur durch Dialog und nicht durch Krieg gelöst werden kann. Das Bild, das hier erzeugt werden soll, ist einfach nur hohl, es hat keinen realen Hintergrund.“
„Es wird keine Türkei ohne HDP geben“
Zum vom Regime immer stärker im Munde geführten Verbot der HDP sagt Beştaş: „Es wird keine Türkei ohne die HDP geben. Selbst wenn die HDP verboten wird, wird sie ihren Weg weitergehen. Millionen von Menschen, die die HDP unterstützen, werden nicht plötzlich verschwinden, wegfliegen oder zu anderen Parteien wechseln. Diese Realität sollte beachtet werden.“
„Ein Regime, das die Wahlgesetze zu manipulieren versucht, hat schon verloren“
Die stellvertretende Fraktionsvorsitzende wies darauf hin, dass es sich bei der HDP um eine gesetzmäßige, legitime und demokratische Partei handelt und sie ins Visier genommen werde, weil sie den „auswendig gelernten Kanon“ der anderen Parteien nicht mitsinge. Dies zeige den Zustand der türkischen Politik. Zu den Versuchen, erneut neun Abgeordneten der HDP die Immunität zu entziehen, sagt Beştaş: „Bisher gab es 200 Anträge auf Immunitätsaufhebung. Die Verfassung wurde geändert und viele unserer Kolleginnen und Kollegen befinden sich weiterhin im Gefängnis. Dennoch ist die HDP gewachsen und hat ihren Weg fortgesetzt. Die Diskussion um die Aufhebung der Immunität ist daher auch nichts anderes als ein Versuch, die öffentliche Meinung zu beeinflussen. Es geht dabei darum, die Herrschaft des Regimes fortdauern zu lassen. Denn die HDP ist mittlerweile in der Position, alle Balancen verändern zu können. Die Debatte über eine Verfassungsänderung, um unsere Partei zu schließen und für fünf Jahre zu verbieten, ist nur eine Scheindebatte. Denn die AKP/MHP-Regierung hat nicht mehr die Macht, nicht mehr die Anzahl der Stimmen, um so etwas durchzusetzen. All dies stellt den durchschaubaren Versuch dar, die Opposition vor einer möglichen Wahl, den eigenen Interessen entsprechend zu gestalten. Die Geschichte der Welt und der Türkei hat gezeigt, wenn ein Regime die Wahlgesetze zu manipulieren versucht, hat es bereits verloren.“