Kulturförderer Osman Kavala zu lebenslanger Haft verurteilt

Seit viereinhalb Jahren sitzt Osman Kavala im Gefängnis, nun ist das Urteil im umstrittenen Prozess gegen ihn gefallen: Erschwerte lebenslange Haft, die nach gültiger Rechtsprechung bis zum physischen Tod dauert.

Der türkische Philanthrop Osman Kavala ist im vielkritisierten Istanbuler „Gezi-Verfahren“ zu einer erschwerten lebenslangen Haftstrafe verurteilt worden. Das Kollegialgericht erließ das Urteil gegen 64-Jährigen wegen des Vorwurfs des versuchten Umsturzes der Regierung. Aussichten auf eine bedingte Entlassung für Kavala gibt es nach gültiger Rechtsprechung nicht: Personen, die zu lebenslanger Freiheitsstrafe mit verschärftem Vollzug wegen Straftaten verurteilt werden, die sie nach Auffassung des Gerichts gegen die „Sicherheit des Staates“ begangen haben, verbleiben bis zum physischen Tod in Haft. Im Gerichtssaal wurde umgehend mit Buhrufen und lautem Protest auf die Entscheidung reagiert. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Kavala ist seit viereinhalb Jahren im Hochsicherheitsgefängnis Silivri nahe Istanbul inhaftiert, ohne dass er bislang in einem der gegen ihn erhobenen Anklagepunkte für schuldig befunden worden war. Die türkische Justiz und Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan beschuldigen ihn, das Land destabilisieren zu wollen. Die Vorwürfe im Verfahren lauteten gemäß der Anklageschrift Umsturzversuch im Zusammenhang mit den Gezi-Protesten von 2013 sowie „politische und militärische Spionage“ im Zusammenhang mit dem Putschversuch von 2016. Von diesem Vorwurf wurde er freigesprochen.

Der Kulturförderer hatte alle Vorwürfe gegen sich stets bestritten, sie als „Verschwörungstheorien“ bezeichnet und sich als Opfer politischer Instrumentalisierung von Seiten der Regierung gesehen. Auch in der letzten Anhörung vergangenen Freitag wies Kavala die gegen ihn erhobenen Anschuldigungen erneut zurück und sagte, die Anklageschrift sei voll von „irreführenden Aussagen“. „Die Tatsache, dass ich viereinhalb Jahre meines Lebens im Gefängnis verbracht habe, ist ein Verlust, der nicht wieder gutgemacht werden kann“, hatte Kavala in seiner Abschlusserklärung gesagt. Trösten könne ihn nur, „wenn das, was ich durchgemacht habe, dazu beitragen würde, schweren Justizfehlern ein Ende zu setzen“.

Sieben Mitangeklagte Kavalas, die gleichzeitig mit ihm vor Gericht erschienen, wurden zu 18 Jahren Haft verurteilt. Es handelt sich um Ayşe Mücella Yapıcı aus dem Vorstand der Istanbuler Architektenkammer, die Filmproduzentin Çiğdem Mater Utku, die Regisseurin Mine Özerden, den Rechtsanwalt Can Atalay, den Stadtplaner Tayfun Kahraman und den Akademiker Yiğit Ekmekçi, der unter anderem zu den Mitbegründern der Istanbuler Bilgi-Universität gehört. Ihnen wurde Beihilfe zum Putschversuch vorgeworfen. Das Gericht erließ Haftbefehle wegen „Fluchtgefahr“ aufgrund der hohen Strafe. Sie wurden noch aus dem Saal heraus festgenommen. Einer der drei Richter hatte sich für Kavalas Entlassung und Freisprüche für seine Mitangeklagten ausgesprochen. Die Beweise seien rechtswidrig erhoben worden und könnten nicht für ein Urteil herangezogen werden.

Internationale Kritik am Umgang mit Kavala

Der Fall Kavala hat der Türkei international scharfe Kritik eingebracht. Dem Land droht deswegen der Ausschluss aus dem Europarat. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hatte bereits 2019 die Freilassung des Philanthropen angeordnet und die Haft als politisch motiviert eingestuft. Ende 2021 war ein diplomatischer Eklat entbrannt, nachdem zehn westliche Botschafter in der Türkei in einem Schreiben die Freilassung Kavalas gefordert hatten. Präsident Erdoğan wertete dies als unzulässige Einmischung und drohte den Diplomaten mit Ausweisung.