Çarşı-Verfahren von Gezi-Prozess abgetrennt

Das Verfahren gegen Çarşı-Ultras ist vom Gezi-Prozess wieder abgetrennt worden. Beide Klagen werden wieder getrennt verhandelt. Der Kulturförderer Osman Kavala bleibt wie erwartet in Untersuchungshaft.

Das Verfahren gegen 35 Mitglieder der Fußball-Ultragruppe Çarşı Beşiktaş ist vom Gezi-Prozess abgetrennt worden. Beide Klagen werden fortan wieder in getrennten Prozessen verhandelt, entschied die 13. Schwurgerichtskammer Istanbul am Montag nach entsprechenden Anträgen von Staatsanwaltschaft und Verteidigung. Der einzige inhaftierte Angeklagte im Gezi-Prozess, Philanthrop Osman Kavala, bleibt trotz drohender Sanktionen durch den Europarat in Untersuchungshaft.

Kavala befindet sich seit 2017 im Hochsicherheitsgefängnis von Silivri, ohne dass er in einem der gegen ihn erhobenen Anklagepunkte für schuldig befunden wurde. Die türkische Justiz und Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan werfen ihm vor, das Land destabilisieren zu wollen. Zunächst hatte es geheißen, der 64-Jährige habe 2013 die Gezi-Proteste federführend organisiert und sei 2016 am vermeintlichen Putschversuch beteiligt gewesen. Zuletzt warf man ihm Spionage vor. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) kritisiert das Verfahren als politisch motiviert und hatte Ende 2019 Kavalas Freilassung angeordnet. Da die Türkei dem nicht nachgekommen ist, hat der Europarat ein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet, an dessen Ende der Ausschluss des Landes aus dem Europarat und andere Sanktionen wie der Verlust des Stimmrechts stehen könnten.

Kavala nahm an der heutigen Gerichtsverhandlung wie erwartet nicht teil. Seine Ehefrau, die renommierte Akademikerin Ayşe Buğra, war anwesend. Auch mehrere Diplomat:innen, darunter aus Deutschland, Frankreich und den USA, sowie der Berichterstatter des EU-Parlaments für die Türkei, Nacho Sánchez Amor, saßen im Gerichtssaal. „Es ist schwer zu verstehen, warum die Türkei den Anordnungen des Gerichtshofs nicht nachkommt, obwohl sie Teil dieser Gerichtsbarkeit ist“, sagte Sánchez Amor der Nachrichtenagentur AFP. Die türkische Regierung werde "den Konsequenzen nicht entgehen“.

Justizfarce

In dem Prozess, der im Oktober vergangenen Jahres nach der Zusammenlegung des Gezi-Verfahrens mit einem eigentlich abgeschlossenen Verfahren gegen knapp drei Dutzend Çarşı-Ultras begann, waren bisher insgesamt 52 Personen angeklagt. Sie waren in erster Instanz zwar freigesprochen worden, ein Berufungsgericht hatte aber entschieden, das Verfahren wieder aufzurollen. Auch hier geht es um den Vorwurf eines Umsturzversuchs und Spionage im Zusammenhang mit den Gezi-Protesten. Bei den Beschuldigten handelt es sich um prominente Persönlichkeiten, darunter die frühere Vorsitzende der Architektenkammer, Ayşe Mücella Yapıcı, Rechtsanwalt Can Atalay und der im deutschen Exil lebende Journalist Can Dündar. Die nächste Gerichtsanhörung ist für den 21. März angesetzt.