Im Konflikt um den inhaftierten Kulturförderer Osman Kavala rücken mögliche Sanktionen des Europarats gegen die türkische Regierung näher. Das Ministerkomitee in Straßburg beauftragte den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) mit einer erneuten Prüfung des Falls, wie die Organisation am Donnerstag mitteilte. Das ist ein nötiger Zwischenschritt vor eventuellen Strafmaßnahmen.
Hintergrund ist die fortgesetzte Weigerung Ankaras, den seit über vier Jahren inhaftierten Kulturförderer freizulassen. Dem 64-Jährigen werden in einem Prozess in Istanbul ein Umsturzversuch im Zusammenhang mit den Gezi-Protesten und „politische und militärische Spionage“ beim vermeintlichen Putschversuch von 2016 vorgeworfen. Kavala weist die Vorwürfe strikt zurück.
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan kritisierte die Entscheidung des Ministerkomitees in gewohnt harscher Manier: „Was der Menschenrechtsgerichtshof, was der Europarat auch sagt, es interessiert uns nicht. Wir erwarten, dass unseren Gerichten Respekt entgegengebracht wird“, sagte der AKP-Chef am Mittwoch in Ankara. Das türkische Außenministerium warf Ministerkomitee vor, voreingenommen zu sein und sich in unabhängige Gerichtsprozesse in der Türkei einzumischen. Dass der Fall Kavala weiter auf der Tagesordnung stehe, sei „weit entfernt von gutem Willen“, hieß es.
Der Europarat setzt sich gemeinsam mit seinem Gerichtshof für die Wahrung der Menschenrechte in seinen 47 Mitgliedstaaten ein. In einem historisch fast einmaligen Schritt hatte das Gremium bereits im Dezember ein Vertragsverletzungsverfahren gegen die Türkei eingeleitet. Der EGMR hatte schon vor rund zwei Jahren die Freilassung von Osman Kavala angeordnet und seine Haft als politisch motiviert eingestuft.
Als Mitgliedsland des Europarats ist die Türkei verpflichtet, sich an Urteile des Straßburger Gerichts zu halten. Sollte der EGMR nun zu dem Schluss kommen, dass die Türkei sein Kavala-Urteil nicht umgesetzt hat, müsste das Ministerkomitee über weitere Schritte oder Sanktionen entscheiden. Welche das wären, ist jedoch nicht festgeschrieben. Ein Ausschluss gilt dabei als schärfste Maßnahme, aber als eher unwahrscheinlich.