Philanthrop Osman Kavala bleibt in Untersuchungshaft

In Istanbul ist der Prozess gegen den Philanthropen Osman Kavala und 51 Mitangeklagte fortgesetzt worden. Der 64-Jährige muss in Untersuchungshaft bleiben.

Der türkische Philanthrop Osman Kavala muss in Untersuchungshaft bleiben. Das hat ein Istanbuler Strafgericht am Montag bei der dritten Verhandlung im neu aufgerollten Prozess gegen den 64-Jährigen und mehr als vier Dutzend Mitangeklagte entschieden. Kavala, der im Strafvollzugskomplex Silivri westlich von Istanbul sitzt, nahm wie angekündigt nicht an der Anhörung teil.

In dem Prozess, der im Oktober vergangenen Jahres nach der Zusammenlegung des Gezi-Verfahrens mit einem eigentlich abgeschlossenen Verfahren gegen 35 Mitglieder der Fußball-Ultragruppe Çarşı Beşiktaş begann, sind insgesamt 52 Personen angeklagt. Ihnen werden unter anderem ein Umsturzversuch und Spionage im Zusammenhang mit den Gezi-Protesten vorgeworfen, im Fall von Kavala etwa zusätzlich auch wegen dem vermeintlichen Putschversuch 2016.

Osman Kavala sitzt seit 1539 Tagen ohne Urteil im Gefängnis. Vor knapp zwei Jahren war er von der Anklage im Zusammenhang mit den Protesten um den Gezi-Park in Istanbul freigesprochen worden. Er wurde jedoch wegen anderer Vorwürfe sofort erneut inhaftiert. Später wurde auch der Freispruch aufgehoben. Auch einige der Angeklagten im Gezi-Verfahren waren in erster Instanz bereits freigesprochen worden, unter ihnen war neben Kavala auch der im deutschen Exil lebende Journalist Can Dündar. Ein Berufungsgericht hatte aber entschieden, das Verfahren wieder aufzurollen.

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat 2019 entschieden, dass es keine ausreichenden Gründe für Kavalas Haft gebe und er mit der Inhaftierung viel mehr zum Schweigen gebracht werden solle. Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan will das Urteil nicht umsetzen und bezeichnet den Kulturförderer immer wieder als „Terrorfinanzierer” und „türkischen Soros“ – in Anspielung auf den US-amerikanischen Kulturstifter George Soros, den er als treibende Kraft hinter Protestbewegungen in vielen Ländern betrachtet.

Vertragsverletzungsverfahren gegen Ankara

Im Oktober spitzte sich der Streit über Osman Kavala zu: Weil Deutschland, Frankreich, die USA und andere westliche Staaten die Freilassung des Philanthropen gefordert hatten, drohte Erdoğan, deren Botschafter auszuweisen, weil sie sich in türkische Angelegenheiten eingemischt hätten. Im Dezember kündigte dann das Ministerkomitee des Europarats ein Vertragsverletzungsverfahren gegen die Türkei an, weil sie sich nicht an das Urteil des Menschenrechtsgerichtshofs hält, das für sie als Europaratsmitglied bindend ist. Ankara war für die Stellungnahme eine Frist bis zum 18. Januar eingeräumt worden. Voraussichtlich am 2. Februar wird das Komitee über die nächste Stufe in dem Verfahren entscheiden.

Gezi-Proteste

Die Gezi-Proteste entzündeten sich Ende Mai 2013 an der geplanten Bebauung des Gezi-Parks in Istanbul. Sie weiteten sich zu landesweiten Demonstrationen gegen den als immer autoritärer empfundenen Führungsstil Recep Tayyip Erdoğans aus, der damals noch Ministerpräsident war. Der bekannte Fanclub des Fußballvereins Beşiktaş hatte bei den Protesten eine wichtige Rolle gespielt. Viele Çarşı-Ultras nahmen an den Demonstrationen teil und stellten sich auf die Seite der Gezi-Bewegung. Die Staatsanwaltschaft nahm dies zum Anlass, den Fußballfans vorzuwerfen, die Proteste als Vorwand für einen Sturz der Regierung genutzt zu haben. Im Dezember 2015 wurden sie aus Mangel an Beweisen freigesprochen. Das Urteil wurde aber von einem höheren Gericht kassiert.