Osman Kavala bleibt in Untersuchungshaft

Nach dem diplomatischen Eklat um die Inhaftierung des Kulturförderers Osman Kavala in der Türkei ist am Freitag dessen Gerichtsprozess fortgesetzt worden. Wie erwartet, bleibt der 64-Jährige im Gefängnis.

Der türkische Bürgerrechtler Osman Kavala bleibt im Gefängnis. Ein Gericht in Istanbul lehnte am Freitag die Freilassung des ohne Urteil seit vier Jahren inhaftierten Kulturförderers wegen der angeblichen „Schwere der Schuld“ ab. Die Staatsanwaltschaft und insbesondere der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan werfen dem 64-jährigen Kavala vor, die Gezi-Proteste im Jahr 2013 federführend organisiert zu haben und an dem angeblichen Putschversuch 2016 beteiligt gewesen zu sein. Menschenrechtsorganisationen kritisieren das Verfahren dagegen als politisch motiviert.

Es war der erste Gerichtstermin seit dem diplomatischen Eklat um die Inhaftierung Kavalas. Im Oktober hatten die Botschafter von zehn westlichen Ländern, darunter die USA und Deutschland, Präsident Erdogan aufgefordert, Kavala freizulassen. Erdogan drohte den Diplomaten daraufhin mit einer Ausweisung. Spannend war der Prozesstag auch, weil der Europarat der Regierung in Ankara aufgrund des Kavala-Verfahrens im September mit einem Vertragsverletzungsverfahren gedroht hatte. Die Frist dafür läuft am 30. November ab. Dann beginnt die nächste dreitägige Sitzung des für solche Fälle zuständigen Gremiums im Europarat.

Die Warnung des Europarats folgte als Reaktion auf das von Ankara nicht umgesetzte Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR), der die umgehende Freilassung von Kavala fordert. Die bindende Entscheidung vom Dezember 2019 ist seit Mai 2020 rechtskräftig. Doch die Türkei ignoriert das Urteil, obwohl sie als Mitglied des Europarats an Entscheidungen des EGMR gebunden ist.

Osman Kavala wurde am 18. Oktober 2017 festgenommen und kam am 1. November 2017 im Hochsicherheitsgefängnis Silivri bei Istanbul in Untersuchungshaft. Im Februar vergangenen Jahres wurden er und mehrere Mitangeklagte im Gezi-Prozess überraschend freigesprochen worden, ein Berufungsgericht ließ das Verfahren neu aufrollen. Kurz darauf wurde die Zusammenlegung der Verfahren um die Gezi-Proteste und den Putschversuch beschlossen. Angeklagt sind auch Ultras von Çarşı Beşiktaş, die sich an die Seite des Gezi-Widerstands gestellt hatten. Auch ihre Freisprüche waren von einem höheren Gericht kassiert worden.

Kavala verweigert Teilnahme: Kein fairer Prozess

An der Anhörung am Freitag nahm Kavala nicht teil. Da es kein „fairer Prozess“ sei, insbesondere mit Blick auf die persönlichen Angriffe Erdogans auf den Kulturförderer – der AKP-Chef bezeichnet Osman Kavala als „Soros-Überbleibsel“, unter Bezug auf den US-Philantropen und Investor George Soros – halte er es für „sinnlos, an den kommenden Anhörungen teilzunehmen“, erklärte der Rechtsanwalt Deniz Tolga Aytöre im Namen seines Mandanten. Anstelle Kavalas war seine Frau Ayşe Buğra, eine renommierte Akademikerin, im Gerichtssaal anwesend. Auch mehrere Botschafter und Abgeordnete der Opposition verfolgten die Anhörung vor Ort. Der Prozess wird am 17. Januar 2022 fortgesetzt.