Das türkische Außenministerium hat zehn Botschafter:innen einbestellt, weil diese öffentlich zur Freilassung von Osman Kavala aufgerufen haben. Der Bürgerrechtler und Kulturmäzen ist seit vier Jahren im Hochsicherheitsgefängnis Silivri inhaftiert. Zum Jahrestag seiner Inhaftierung haben die Botschaften der USA sowie von Deutschland, Dänemark, Finnland, Frankreich, Niederlande, Schweden, Kanada, Norwegen und Neuseeland in Ankara am Montag erklärt:
„Heute ist es vier Jahre her, dass die Inhaftierung von Osman Kavala begann. Die ständigen Verzögerungen seines Prozesses, unter anderem durch die Zusammenlegung verschiedener Fälle und die Schaffung neuer Fälle nach einem früheren Freispruch, werfen einen Schatten auf die Achtung von Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Transparenz im türkischen Justizsystem.
Die Botschaften Kanadas, Frankreichs, Finnlands, Dänemarks, Deutschlands, der Niederlande, Neuseelands, Norwegens, Schwedens und der Vereinigten Staaten von Amerika sind gemeinsam der Auffassung, dass eine gerechte und rasche Lösung seines Falles im Einklang mit den internationalen Verpflichtungen und den nationalen Gesetzen der Türkei stehen muss. Unter Hinweis auf die Urteile des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte in dieser Angelegenheit fordern wir die Türkei auf, seine dringende Freilassung sicherzustellen.“
Der türkische Innenminister Süleyman Soylu warf den Botschafter:innen daraufhin einen unzulässigen Eingriff in ein laufenden Justizverfahren vor. Die Forderung nach der Freilassung von Kavala werfe einen Schatten auf das Verständnis der diplomatischen Vertreter von Recht und Demokratie.
Kavala sitzt seit vier Jahren hinter Gittern, ohne verurteilt worden zu sein. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hatte bereits 2019 seine sofortige Freilassung gefordert. Die Türkei ignoriert das Urteil. Im September hatte der Europarat der Türkei unter Verweis auf ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte mit Disziplinarmaßnahmen gedroht, falls sie Kavala nicht bis Ende November freilässt. Auch im Fall des kurdischen HDP-Politikers Selahattin Demirtaş setzt sich die Regierung von Recep Tayyip Erdoğan über Urteile des EGMR hinweg.