Europarats-Gremium fordert demokratische Standards von Ankara

Die Parlamentarische Versammlung des Europarats hat eine Dringlichkeitsdebatte zur Situation in der Türkei geführt. Auslöser sind unter anderem der angekündigte Rückzug von der Istanbul-Konvention und der Verbotsantrag gegen die HDP.

Die Parlamentarische Versammlung des Europarats (PACE) hat die Türkei zur Einhaltung der Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit gemahnt. Die türkischen Behörden werden aufgefordert, „Gesetze und Praktiken zu beenden, die gegen demokratische Standards verstoßen, ihre Gesetzgebung und ihren Verfassungsrahmen zu überarbeiten, um die Gewaltenteilung zu gewährleisten, die Rede- und Pressefreiheit wiederherzustellen, die Auslegung ihrer Anti-Terror-Gesetze einzuschränken und die Urteile des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte umzusetzen”, hieß es in einer am Donnerstag verabschiedeten Resolution. Die Entscheidung des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan, aus der Istanbul-Konvention – dem Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt – auszusteigen, bezeichneten die Mitglieder der Versammlung als einen „Rückschritt für das Land“. Es sei zutiefst zu bedauern, dass diese Entscheidung „ohne jegliche parlamentarische Debatte und aufgrund irreführenden Narrativen” getroffen wurde. Bei der Venedig-Kommission wurde eine juristische Expertise beantragt.

Gerichtliche Schikanen gegen HDP-Abgeordnete

Auslöser der Dringlichkeitsdebatte zur Situation in der Türkei, die auf Grundlage eines Berichts der Berichterstatter Thomas Hammarberg und John Howell geführt wurde, waren zudem der Verbotsantrag gegen die Demokratische Partei der Völker (HDP), drittgrößte Fraktion im türkischen Parlament, und die Repression gegen ihre Mitglieder. Die Verfahren und Anträge zur Aufhebung der parlamentarischen Immunität von HDP-Abgeordneten würden „mit Besorgnis“ zur Kenntnis genommen. Die Versammlung fordert die türkischen Behörden daher auf, „gerichtliche Schikanen” gegen parlamentarische Mitglieder der HDP zu beenden und von der „Einreichung zahlreicher Zusammenfassungen von Verfahren zur unzulässigen Aufhebung ihrer Immunität abzusehen, die die Ausübung des politischen Mandats ernsthaft behindern”, sowie den „politischen Pluralismus“ zu wahren.

Freilassung von Demirtaş und Kavala gefordert

Die Resolution fordert auch die sofortige Freilassung des ehemaligen Ko-Vorsitzenden der HDP, Selahattin Demirtaş, und des Philanthropen Osman Kavala in Anwendung der Urteile des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) von 2020 und der nachfolgenden Entscheidungen des Ministerkomitees, das deren Umsetzung überwacht. Die Türkei behält trotz Urteilen des Straßburger Gerichts Demirtaş und Kavala unter fadenscheinigen Vorwürfen in Haft. Laut der Versammlung sollten die türkischen Behörden die Gelegenheit ergreifen, den Aktionsplan für Menschenrechte umzusetzen und die Gesetzgebung zu Wahlen und politischen Parteien zu überarbeiten. Damit könnten „konkrete und sinnvolle Schritte” unternommen werden, die Verpflichtungen aus der Mitgliedschaft im Europarat zu respektieren.

Antrag von AKP/MHP-Mitgliedern zu PKK abgelehnt

Ein Antrag von Versammlungsmitgliedern aus den Reihen der Erdoğan-Partei AKP und des ultranationalistischen Koalitionspartners MHP, in der Resolution die Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) als „Terrororganisation“ zu umschreiben, wurde mit 72 gegen 23 Stimmen abgelehnt.