Im Fall des in der Türkei inhaftierten Bürgerrechtlers und Kulturförderers Osman Kavala dringt die EU auf eine sofortige Freilassung. Der 63-Jährige ist trotz eines Urteils des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) seit mehr als drei Jahren unter dubiosen Anschuldigungen in Haft. Im Dezember 2019 hatte der EGMR die Festsetzung des türkischen Intellektuellen für unrechtmäßig erklärt und festgestellt, dass seine Verhaftung und die Verhängung der Untersuchungshaft über ihn ein weiteres Ziel verfolgt, und zwar ihn zum Schweigen zu bringen und andere Menschenrechtsaktivisten abzuschrecken. Die Türkei ignoriert die Entscheidung.
Osman Kavala, der im Oktober 2017 in Istanbul verhaftet wurde, war im Februar zunächst vom Vorwurf eines Umsturzversuchs im Zusammenhang mit den regierungskritischen Gezi-Protesten von 2013 aus Mangel an Beweisen freigesprochen worden. Nur wenige Stunden später erging ein neuer Haftbefehl gegen ihn – diesmal aufgrund des Verdachts, in den vermeintlichen Putschversuch vom 15. Juni 2016 involviert gewesen zu sein. Auch von diesem Vorwurf wurde er freigesprochen, am 9. März ist jedoch auf der Grundlage eines dritten Bündels von Anschuldigungen, darunter „politische oder militärische Spionage“ erneut Untersuchungshaft gegen Kavala verhängt worden. Die erste Anhörung in dem Prozess fand letzten Freitag statt. Anfang Februar wird das Verfahren fortgesetzt.
„Die Entscheidung des Istanbuler Gerichts, Osman Kavala trotz des eindeutigen Urteils des EGMR in Haft zu halten, läuft dem erklärten Bekenntnis der Türkei zur Rechtsstaatlichkeit und der Achtung der Grundrechte, einschließlich der Unschuldsvermutung, zuwider“, erklärte die EU-Sprecherin für Außen- und Sicherheitspolitik Nabila Massrali am Montag in Brüssel.
Wie das Ministerkomitee des Europarats zuletzt betonte, konnten die türkischen Behörden den dringenden Verdacht nicht ausräumen, dass die andauernde Inhaftierung von Kavala und die Einleitung eines neuen Ermittlungsverfahrens eine fortgesetzte Verletzung des bindenden EGMR-Urteils darstellen, so Massrali weiter. „Wir fordern daher die türkische Justiz auf, den Empfehlungen des Europarats nachzukommen sowie das Straßburger Urteil umzusetzen und Osman Kavala unverzüglich freizulassen.“ Die Türkei als Beitrittskandidat und langjähriges Mitglied des Europarats müsse „dringend“ konkrete und nachhaltige Fortschritte bei der Achtung der Grundrechte machen, mahnte die EU-Sprecherin.
Urteile bindend, aber...
Urteile des EGMR sind für die Türkei zwar wie jedes andere Mitglied des Europarats rechtlich bindend, Druckmittel zur Umsetzung gibt es aber kaum. So hatte sich die Justiz des AKP-Regimes bereits über das Urteil zur Freilassung des ehemaligen HDP-Vorsitzenden Selahattin Demirtaş hinweggesetzt.