Menschenrechtsgerichtshof fordert Freilassung von Kavala

Seit über zwei Jahren ist der Unternehmer und Kulturmäzen Osman Kavala in der Türkei im Gefängnis – zu Unrecht, urteilte heute der europäische Menschenrechtsgerichtshof und forderte seine sofortige Freilassung.

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat heute sein Urteil im Fall von Osman Kavala gefällt. Der bekannte Unternehmer, Bürgerrechtler und Kulturmäzen befindet sich seit Oktober 2017 in der Türkei in Untersuchungshaft. Kavala und 15 weiteren Angeklagten wird ein Umsturzversuch im Zusammenhang mit den Gezi-Protesten von 2013 vorgeworfen. Kavala wird zudem beschuldigt, die Proteste mit ausländischer Hilfe finanziert zu haben.

Laut EGMR-Urteil sind Kavalas Rechte verletzt worden und er muss umgehend freigelassen werden. Seine Anwälte bewerteten das Urteil als verspäteten juristischen Sieg. Das Gericht konnte keine Absicht der Gewaltanwendung erkennen, vielmehr sei Kavalas Tätigkeit für einen Menschenrechtler nicht ungewöhnlich und die lange Untersuchungshaft darauf angelegt, ihn zum Schweigen bringen. Wie die Anwälte mitteilen, ist das Urteil des EGMR so eindeutig, dass Osman Kavala sofort freigelassen werden muss.

Seit 770 Tagen in Untersuchungshaft

Der renommierte türkische Kulturmäzen und Bürgerrechtler Osman Kavala war im Oktober 2017 in Istanbul festgenommen worden. Zuvor hatte er noch in Dîlok (Antep) an einem Projekttreffen des Goethe-Instituts teilgenommen.

Die Vorwürfe gegen Kavala waren lange nicht bekannt, da das Verfahren zunächst als Verschlusssache galt. Die 657 Seiten umfassende Anklageschrift hatte die Staatsanwaltschaft erst Ende Februar vorgelegt. Kurz nach der Festnahme Kavalas nannte ihn Staatspräsident Erdoğan abfällig den „türkischen Soros“ in Anspielung auf den US-amerikanischen Kulturstifter George Soros. In einer Rede warf er Kavala einen Versuch der „Spaltung der Nation“ vor. Hinter ihm stehe „der berühmte ungarische Jude Soros. Dies ist der Mann, der Leute um die Welt schickt, um Nationen zu spalten“, sagte Erdoğan. Soros beendete daraufhin die Arbeit seiner Stiftung in der Türkei.

Kavala: „Ein spekulatives Fantasiegebilde“

Bereits zum Prozessauftakt am 24. Juni hatte Kavala erklärt, die Anschuldigungen entbehrten jeglicher Grundlage und Logik. Die Anklageschrift basiere auf unbewiesenen Mutmaßungen. „Mit verdrehten Tatsachen ist ein spekulatives Fantasiegebilde entworfen worden“, erklärte Kavala vor Gericht.

Gezi-Proteste

Die Gezi-Proteste begannen im Mai 2013 gegen ein geplantes Bauprojekt auf dem Gelände des Gezi-Parks, der unmittelbar an den Taksim-Platz angrenzt. Die lokalen Proteste weiteten sich schnell zu einer landesweiten Widerstandsbewegung gegen die autoritäre Politik des damaligen Ministerpräsidenten und heutigen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdoğan aus, nachdem die Polizei hart gegen die Bürgerinitiative und solidarische Umweltaktivist*innen vorgegangen war. Schließlich wurde die Bewegung blutig niedergeschlagen – elf Menschen starben, Tausende weitere wurden verletzt.

Der erste Politiker aus der türkischen Nationalversammlung, der sich seit Beginn an den Gezi-Protesten beteiligte, war der ehemalige HDP-Anbgeordnete Sırrı Süreyya Önder. Auch er saß bis vor kurzem im Gefängnis und wurde Anfang Oktober entlassen, nachdem der Verfassungsgerichtshof entschieden hatte, dass die Haftstrafe gegen den ehemaligen HDP-Abgeordneten rechtswidrig war.