Gezi-Prozess: Osman Kavala bleibt in Haft

Nach mehr als anderthalb Jahren Untersuchungshaft muss der Kulturmäzen und Bürgerrechtler Osman Kavala weiter im Gefängnis bleiben. Das entschied das Gericht am Hochsicherheitsgefängnis Silivri nahe Istanbul.

Nach mehr als anderthalb Jahren Untersuchungshaft muss der Intellektuelle Osman Kavala weiter im Gefängnis bleiben. Ein türkisches Gericht in Istanbul lehnte bei der zweiten Anhörung im Prozess gegen ihn und weitere Angeklagte am Donnerstag erneut seine Freilassung ab. Eine Begründung gab es zunächst nicht. Die nächste Anhörung findet am 8. Oktober statt. 

Der renommierte türkische Kulturmäzen und Bürgerrechtler Osman Kavala war im Oktober 2017 in Istanbul festgenommen worden. Zuvor hatte er noch in Dîlok (Antep) an einem Projekttreffen des Goethe-Instituts teilgenommen. Die Anklage wirft ihm und 15 weiteren Vertreter*innen der Zivilgesellschaft unter anderem „einen Versuch zum Sturz der Regierung“ im Zusammenhang mit den Gezi-Protesten von 2013 vor. Kavala wird zudem beschuldigt, die Proteste mit ausländischer Hilfe finanziert zu haben. Allen Angeklagten droht eine lebenslange Haftstrafe.

„Spekulatives Fantasiegebilde“

Bereits zum Prozessauftakt am 24. Juni hatte Kavala erklärt, die Anschuldigungen, wegen denen er seit 630 Tagen im Gefängnis ist, entbehrten jeglicher Grundlage und Logik. Auch heute erklärte er in seiner Verteidigungsrede, es gebe keine Beweise gegen ihn und forderte seine Freilassung.

International umstrittener Prozess

Weitere Angeklagte in dem international umstrittenen Prozess sind unter anderem der ehemalige Chefredakteur der regierungskritischen Zeitung „Cumhuriyet“, Can Dündar, die Generalsekretärin der türkischen Architektenkammer, Mücella Yapıcı und der Schauspieler Memet Ali Alabora. Gegen sechs der Beschuldigten, darunter Dündar, der im Exil in Deutschland lebt und Alabora, der sich ebenfalls im Ausland aufhält, wurde ein Haftbefehl ausgestellt. 

Gezi-Proteste

Die Gezi-Proteste begannen im Mai 2013 gegen ein geplantes Bauprojekt auf dem Gelände des Gezi-Parks, der unmittelbar an den Taksim-Platz angrenzt. Die lokalen Proteste weiteten sich schnell zu einer landesweiten Widerstandsbewegung gegen die autoritäre Politik des damaligen Ministerpräsidenten und heutigen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdoğan aus, nachdem die Polizei hart gegen die Bürgerinitiative und solidarische Umweltaktivist*innen vorgegangen war. Schließlich wurde die Bewegung blutig niedergeschlagen – elf Menschen starben, Tausende weitere wurden verletzt. Die Angeklagten sollen nun stellvertretend für die Protestbewegung lebenslänglich ins Gefängnis. 

Der erste Politiker aus der türkischen Nationalversammlung, der sich seit Beginn an den Gezi-Protesten beteiligte, war der ehemalige HDP-Anbgeordnete Sırrı Süreyya Önder. Auch er sitzt mittlerweile in einem Gefängnis.