Nachdem am Montag die Anklage gegen den renommierten Kulturmäzen und Bürgerrechtler Osman Kavala und 15 Mitangeklagte von einem türkischen Gericht zugelassen wurde, steht nun auch das Datum für die erste Verhandlung fest. Medienberichten zufolge wird der Prozess am 24. Juni vor der 30. Strafgerichtskammer in Istanbul eröffnet.
Die Staatsanwaltschaft wirft Kavala und den Mitangeklagten unter anderem „einen Versuch zum Sturz der Regierung“ und die Finanzierung der regierungskritischen Gezi-Proteste von 2013 vor. Ihnen droht eine lebenslange Haftstrafe.
Der Kulturstifter Kavala sitzt seit eineinhalb Jahren im Hochsicherheitsgefängnis Silivri in Untersuchungshaft. Er wurde im Oktober 2017 in Istanbul festgenommen. Zuvor hatte er noch in Dîlok (Antep) an einem Projekttreffen des Goethe-Instituts teilgenommen.
Die Vorwürfe gegen den 61-Jährigen waren lange nicht bekannt, da das Verfahren als Verschlusssache galt. Die 657 Seiten umfassende Anklageschrift hatte die Staatsanwaltschaft erst vor eineinhalb Wochen vorgelegt. Kurz nach der Festnahme Kavals nannte ihn Staatspräsident Erdoğan abfällig den „türkischen Soros“ in Anspielung auf den US-amerikanischen Kulturstifter George Soros. In einer Rede im vergangenen November warf er Kavala einen Versuch der „Spaltung der Nation“ vor. Hinter ihm stehe „der berühmte ungarische Jude Soros. Dies ist der Mann, der Leute um die Welt schickt, um Nationen zu spalten“, sagte Erdoğan. Soros beendete daraufhin die Arbeit seiner Stiftung in der Türkei.
Weitere Angeklagte sind unter anderem der ehemalige Chefredakteur der regierungskritischen Zeitung „Cumhuriyet“, Can Dündar, die Generalsekretärin der türkischen Architektenkammer, Mücella Yapıcı, der Schauspieler Mehmet Ali Alabora und weitere prominente Mitglieder der Zivilgesellschaft. Gegen sechs der Beschuldigten, darunter Dündar, der im Exil in Deutschland lebt und Alabora, der sich ebenfalls im Ausland aufhält, wurde ein Haftbefehl ausgestellt.
Die Gezi-Proteste begannen im Mai 2013 gegen ein geplantes Bauprojekt auf dem Gelände des Gezi-Parks, der unmittelbar an den Taksim-Platz angrenzt. Die lokalen Proteste weiteten sich schnell zu einer landesweiten Widerstandsbewegung gegen die autoritäre Politik des damaligen Ministerpräsidenten und heutigen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan aus, nachdem die Polizei hart gegen die Bürgerinitiative und solidarische Umweltaktivist*innen vorging. Schließlich wurde die Bewegung blutig niedergeschlagen – elf Menschen starben, Tausende weitere wurden verletzt. Die Angeklagten sollen nun stellvertretend für die Protestbewegung lebenslänglich ins Gefängnis.