Gezi-Prozess: Bürgerrechtler bleibt weiter in Haft
Der Kulturmäzen Osman Kavala muss weiterhin im Gefängnis bleiben. Ein Gericht in Istanbul lehnte auch bei der dritten Anhörung im Prozess gegen den Bürgerrechtler seine Freilassung ab.
Der Kulturmäzen Osman Kavala muss weiterhin im Gefängnis bleiben. Ein Gericht in Istanbul lehnte auch bei der dritten Anhörung im Prozess gegen den Bürgerrechtler seine Freilassung ab.
Auch nach fast zwei Jahren in Untersuchungshaft muss der Bürgerrechtler und Kulturmäzen Osman Kavala weiterhin im Gefängnis bleiben. Ein Gericht in Istanbul lehnte bei der dritten Anhörung im Prozess gegen ihn und weitere Angeklagte am Dienstag erneut seine Freilassung ab.
Dem Unternehmer Osman Kavala und 15 weiteren Vertreter*innen der Zivilgesellschaft wird unter anderem „ein Versuch zum Sturz der Regierung“ im Zusammenhang mit den Gezi-Protesten von 2013 vorgeworfen. Kavala wird zudem beschuldigt, die Proteste mit ausländischer Hilfe finanziert zu haben. Allen Angeklagten droht eine lebenslange Haftstrafe.
Der Prozess gegen die Angeklagten, darunter der Journalist Can Dündar und der Schauspieler Memet Ali Alabora, die sich wie vier weitere Betroffene nur durch die Flucht ins Ausland einer Inhaftierung entziehen konnten, findet vor dem 30. Istanbuler Strafgerichtshof im Gefängniskomplex Silivri statt. Die Anhörung wurde heute von mehr als 500 Zuschauer*innen verfolgt, darunter Abgeordnete der HDP und CHP, Vertreter*innen zahlreicher Menschenrechtsorganisationen und Diplomaten aus Frankreich, den USA, der Schweiz und der Bundesrepublik. Am 24. und 25. Dezember soll der Prozess fortgesetzt werden.
Seit mehr als 700 Tagen in Untersuchungshaft
Der renommierte türkische Kulturmäzen und Bürgerrechtler Osman Kavala war im Oktober 2017 in Istanbul festgenommen worden. Zuvor hatte er noch in Dîlok (Antep) an einem Projekttreffen des Goethe-Instituts teilgenommen.
Die Vorwürfe gegen Kavala waren lange nicht bekannt, da das Verfahren zunächst als Verschlusssache galt. Die 657 Seiten umfassende Anklageschrift hatte die Staatsanwaltschaft erst Ende Februar vorgelegt. Kurz nach der Festnahme Kavals nannte ihn Staatspräsident Erdoğan abfällig den „türkischen Soros“ in Anspielung auf den US-amerikanischen Kulturstifter George Soros. In einer Rede warf er Kavala einen Versuch der „Spaltung der Nation“ vor. Hinter ihm stehe „der berühmte ungarische Jude Soros. Dies ist der Mann, der Leute um die Welt schickt, um Nationen zu spalten“, sagte Erdoğan. Soros beendete daraufhin die Arbeit seiner Stiftung in der Türkei.
Kavala: „Ein spekulatives Fantasiegebilde“
Bereits zum Prozessauftakt am 24. Juni hatte Kavala erklärt, die Anschuldigungen entbehrten jeglicher Grundlage und Logik. Die Anklageschrift basiere auf unbewiesenen Mutmaßungen. „Mit verdrehten Tatsachen ist ein spekulatives Fantasiegebilde entworfen worden“, erklärte Kavala.
Gezi-Proteste
Die Gezi-Proteste begannen im Mai 2013 gegen ein geplantes Bauprojekt auf dem Gelände des Gezi-Parks, der unmittelbar an den Taksim-Platz angrenzt. Die lokalen Proteste weiteten sich schnell zu einer landesweiten Widerstandsbewegung gegen die autoritäre Politik des damaligen Ministerpräsidenten und heutigen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdoğan aus, nachdem die Polizei hart gegen die Bürgerinitiative und solidarische Umweltaktivist*innen vorgegangen war. Schließlich wurde die Bewegung blutig niedergeschlagen – elf Menschen starben, Tausende weitere wurden verletzt. Die Angeklagten sollen nun stellvertretend für die Protestbewegung lebenslänglich ins Gefängnis.
Der erste Politiker aus der türkischen Nationalversammlung, der sich seit Beginn an den Gezi-Protesten beteiligte, war der ehemalige HDP-Anbgeordnete Sırrı Süreyya Önder. Auch er saß bis vor kurzem im Gefängnis und wurde vergangenen Freitag entlassen, nachdem der Verfassungsgerichtshof entschieden hatte, dass die Haftstrafe gegen den ehemaligen HDP-Abgeordneten rechtswidrig war.