Zu Beginn des neuen Prozesses gegen Osman Kavala hat der Bürgerrechtler die Vorwürfe gegen ihn scharf kritisiert. Für keine der Anschuldigungen könnten glaubwürdige Beweise vorgebracht werden, zudem würden sie seiner Weltanschauung, seinen ethischen Werten und den Zielen seiner Stiftung Anadolu Kültür widersprechen, sagte Kavala am Freitag beim Prozessauftakt in Istanbul.
Osman Kavala, der seit mehr als drei Jahren inhaftiert ist, war im Februar zunächst von dem Vorwurf eines Umsturzversuchs im Zusammenhang mit den regierungskritischen Gezi-Protesten von 2013 freigesprochen worden. Nur wenige Stunden nach seinem Freispruch wurde der 63-Jährige erneut festgenommen. Die Istanbuler Generalstaatsanwaltschaft wirft ihm im neuen Verfahren erneut einen Umsturzversuch vor, diesmal im Zusammenhang mit dem Putschversuch vom Juli 2016, sowie politische oder militärische Spionage.
Persönlich anwesend war Kavala beim heutigen Prozessauftakt nicht, stattdessen wurde er über ein Videoschaltungssystem aus dem Hochsicherheitsgefängnis Silivri in die Verhandlung eingebunden. Nach dem Kulturmäzen wurden sechs Zeuginnen und Zeugen befragt, darunter Pınar Arıkan Sinkaya und Bayram Sinkaya. Das Ehepaar hatte am 15. Juli 2016, dem Tag des vermeintlichen Putschversuchs, an einem akademischen Seminar über den Iran in einem Hotel auf der Prinzeninsel Büyükada im Marmarameer teilgenommen. Der Workshop wurde geleitet von dem US-Akademiker Henri Barkey, der laut der Erdoğan-Regierung „der wahre Strippenzieher“ hinter dem Staatsstreich sei. Im Verfahren gegen Kavala ist Barkey mitangeklagt. Alle Zeug*innen wurden explizit danach befragt, ob Kavala bei dem Seminar anwesend gewesen sei, was er demnach nicht war.
Zum Prozess erschienen neben zahlreichen Journalistinnen und Journalisten und Mitgliedern der Zivilgesellschaft auch diplomatische Vertreter*innen verschiedener Staaten, darunter Deutschland, Dänemark, Schweden und den USA. Das Gericht entschied auf Antrag der Staatsanwaltschaft, dass Kavala weiterhin in Untersuchungshaft bleiben muss. Die Verhandlung soll am 5. Februar fortgesetzt werden.