Erdoğan verteidigt Rückzug aus Frauenschutz-Konvention

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan hat den Austritt seines Landes aus der Istanbul-Konvention zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen verteidigt. Der Schritt sei völlig legal, die Opposition habe keine Ahnung.

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan hat den Rückzug der Türkei aus der Istanbul-Konvention zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen mit deutlichen Worten gegen Kritik verteidigt. „Das ist keine Entscheidung, die das Parlament trifft. Die Opposition hat keine Ahnung davon“, sagte Erdoğan nach dem Freitagsgebet in der Kerem-Aydınlar-Moschee in Istanbul. Der Schritt sei „völlig legal“. „Wir haben unsere Entscheidung getroffen. Wir können beitreten, aber genauso gut wieder austreten.“

In der Nacht zum Samstag hat die türkische Regierung mit sofortiger Wirkung das Frauenrechts-Konvention des Europarats per Präsidialdekret verlassen. Mit seiner Entscheidung kam Erdoğan konservativen und islamistischen Kreisen entgegen. Diese hatten den Austritt mit der Begründung gefordert, das Abkommen schade der Einheit der Familie, da sie zu Ehescheidung ermutige und traditionelle Werte untergrabe. Außerdem fördere sie Homosexualität. Auch begründete inzwischen der Kommunikationsdirektor des Präsidentenpalastes, Fahrettin Altun, den Austritt aus der Istanbuler Konvention damit, das Abkommen werde von einer Gruppe von Menschen dazu benutzt, „um Homosexualität zu normalisieren”. Dies sei ein Verstoß gegen die sozialen und familiären Werte der Türkei.

Internationale Abkommen in der Türkei im Verfassungsrang

Die Opposition und Juristenverbände kritisieren nicht nur die Art und Weise des Austritts aus dem Abkommen. Auch monieren sie, der Präsident habe nicht die Befugnis, internationale Verträge ohne Zustimmung des Parlaments, das den Vertrag 2012 ratifizierte, per Dekret aufzukündigen. Internationale Abkommen stehen in der Türkei im Verfassungsrang; durch den Alleingang Erdoğans liege damit ein Verstoß gegen Art. 90 und 104 der türkischen Verfassung vor. Derweil reichen immer mehr Organisationen und Einzelpersonen beim Staatsrat Nichtigskeitsverfahren gegen die Aufkündigung der Istanbul-Konvention ein. Ein Muster steht beim Portal Bianet zur Verfügung.

Täglich landesweit Proteste

Die Istanbuler Konvention wurde 2011 vom Europarat als völkerrechtlicher Vertrag ausgefertigt und soll einen europaweiten Rechtsrahmen schaffen, um Gewalt gegen Frauen zu verhüten und zu bekämpfen. Die Vereinbarung gilt als Meilenstein im Kampf gegen patriarchale Gewalt und verpflichtet die Unterzeichnerstaaten, geschlechtsspezifische Gewalt zu bekämpfen sowie die Präventions- und Hilfsangebote zu verbessern. Bisher wurde die Konvention von 45 Staaten und der Europäischen Union (EU) unterzeichnet. 34 Länder haben den Vertrag ratifiziert. Seit dem Austritt der türkischen Regierung mobilisieren Frauenrechtsgruppen landesweit täglich zu Protesten und fordern die Rücknahme der Entscheidung.