Misshandelte Gefangene aus Silivri verlegt
Mehrere der im Hochsicherheitsgefängnis Silivri Nr. 5 misshandelten und nach Angaben des Menschenrechtsvereins IHD zu einem Suizidversuch genötigten Insassen sind in andere Haftanstalten verlegt worden.
Mehrere der im Hochsicherheitsgefängnis Silivri Nr. 5 misshandelten und nach Angaben des Menschenrechtsvereins IHD zu einem Suizidversuch genötigten Insassen sind in andere Haftanstalten verlegt worden.
Eine Gruppe Gefangener aus dem Hochsicherheitsgefängnis Silivri Nr. 5 ist in andere Haftanstalten verlegt worden. Wie der Überwachungsausschuss für die Gefängnisse in der Marmara-Region am Freitag bekannt gab, handelt es sich um zehn ehemalige Insassen der Haftanstalt westlich von Istanbul, die auf ebenso viele Gefängnisse in Karabük, Akhisar, Bolu, Düzce, Izmir, Manisa, Eskişehir und Kütahya im Westen der Türkei verteilt wurden.
Nach Angaben des Ausschusses betrifft die Verlegung jene Gefangene, die durch das Wachpersonal in Silivri misshandelt und zu einem Suizidversuch genötigt worden waren. Bei Ferhan Yılmaz blieb es nicht bei dem Versuch. Der 28-jährige Kurde aus Êlih (tr. Batman) kam am Sonntag in einem Istanbuler Krankenhaus ums Leben. Laut Darstellung der Vollzugsleitung sei er an einem Herzinfarkt gestorben, das Institut für Rechtsmedizin vermerkte in der Sterbeurkunde eine ansteckende Krankheit als Todesform.
Diesen Darstellungen widersprechen sowohl Angehörige von Yılmaz als auch Mitgefangene und der Überwachungsausschuss für die Gefängnisse in der Marmara-Region, einem Bündnis von Organisationen aus den Bereichen Menschen- und Zivilrecht sowie Gesundheit, darunter der IHD und die Stiftung für Menschenrechte TIHV. Aufnahmen aus dem Krankenzimmer auf der Intensivstation des staatlichen Krankenhauses in Silivri und der Zustand des Leichnams lassen darauf schließen, dass Ferhan Yılmaz an den Folgen von Folter gestorben ist. Auch ein zweiter Gefangener, der namentlich weiterhin nicht bekannt ist, soll in Silivri durch massive Gewalteinwirkungen ums Leben gekommen sein.
Silivri: Internierungslager für Oppositionelle
Der 2008 eröffnete Strafvollzugskomplex Silivri gilt als größtes Gefängnis in Europa und ist berüchtigt für Übergriffe, Schikanen und Gewalt. Offiziell heißt der Bau „Campus der Strafvollzugsanstalten Silivri“. Er liegt einen Kilometer vom Marmarameer entfernt und befindet sich in der gleichnamigen Stadtgemeinde Silivri etwa 70 Kilometer westlich von Istanbul.
Auf dem Gelände gibt es zehn einzelne Haftkomplexe mit Mehrpersonen- als auch Einzelzellen, auch für Frauen, dazu ein Krankenhaus und mehrere Gerichtssäle. Die Patrouillenstraße um das Gelände ist etwa so groß wie 200 Fußballplätze. Außerhalb der Mauern befinden sich etwa 500 Dienstwohnungen für die Beschäftigten. Die Regierungsangaben über die Kapazität schwanken zwischen 10.000 und 13.000 Insassen. Menschenrechtsorganisationen weisen demgegenüber immer wieder auf eine Überbelegung der Zellen hin.
Oppositionelle beschreiben den Silivri-Komplex als Internierungslager, weil dort hauptsächlich Kritikerinnen und Kritiker von Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan eingesperrt werden: Medienschaffende, Politiker:innen, Wissenschaftler:innen, Jurist:innen und andere führende Köpfe der Zivilgesellschaft. Aktuell sitzen in Silivri mehr als 15.000 Häftlinge ein, die meisten sind politische Gefangene wie etwa Selçuk Kozağaçlı, Vorsitzender des Anwaltsverbands ÇHD, oder der Bürgerrechtler Osman Kavala, der seit viereinhalb Jahren ohne Urteil in Haft ist. Ehemalige Silivri-Gefangene sind unter anderem die stellvertretende HDP-Vorsitzende Meral Danış Beştaş, der Kölner Sozialwissenschaftler Adil Demirci und der Exil-Journalist Can Dündar.