Tod im Gefängnis: Wie ist Ferhan Yilmaz gestorben?

Ferhan Yilmaz ist zwei Tage vor seiner Entlassung aus dem Gefängnis Silivri gestorben – laut der Vollzugsleitung an einem Herzinfarkt. Sein Bruder Hikmet Yilmaz verweist auf Fotos aus dem Krankenhaus und sagt, er sei zu Tode gefoltert worden.

Ferhan Yilmaz ist zwei Tage vor seiner Entlassung aus dem Gefängnis in Silivri ums Leben gekommen. Die Vollzugsleitung behauptete, der 28-Jährige sei an einem Herzinfarkt verstorben. Dieser Darstellung widerspricht sein Bruder Hikmet Yilmaz. Er sagt, sein Bruder sei zu Tode gefoltert worden. Als Beweis verweist Hikmet Yilmaz auf Aufnahmen von seinem Bruder in der Intensivstation des staatlichen Krankenhauses in Silivri und den Zustand des Leichnams in der Leichenhalle. „Überall waren Blut und Schlagspuren“, erklärte Hikmet Yilmaz gegenüber ANF.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat zu dem Fall erklärt, dass es keine Hinweise auf Gewalteinwirkung gebe. Hikmet Yilmaz ist darüber empört: „Mein großer Bruder hat die Leiche gewaschen und dabei gesehen, dass Ferhan überall Hämatome hatte. Er hatte Platzwunden am Auge, seine Lippen waren ballonartig angeschwollen, in seiner Nase steckte Watte, als ob sie gebrochen sei. Trotzdem hat das gerichtsmedizinische Institut in der Sterbeurkunde eine ansteckende Krankheit als Todesform vermerkt. Mit der Begründung, dass kein Kontrollarzt zur Verfügung stand, ist keine Todesursache benannt worden.“

Er war fröhlich und stand kurz vor der Entlassung“

Yilmaz erzählt, dass die Familie die Nachricht vom Tod seines Bruders zwei Tage vor dessen Entlassung aus dem Gefängnis erhalten hat. „Ferhan war seit zwei Jahren im Gefängnis. Dienstag sollte er entlassen werden. Er hatte uns angerufen und war fröhlich. Er wollte Geld für seine Fahrt nach Batman.“ Das Geld sei überwiesen worden, seinem Bruder jedoch offensichtlich nicht ausgehändigt worden.

Hikmet Yilmaz ist sich sicher, dass sein Bruder nicht an einem Herzinfarkt gestorben ist: „Wir sind von der Gefängnisverwaltung angerufen worden. Uns wurde gesagt, dass Ferhan Schmerzmittel genommen und einen Herzinfarkt erlitten hat. Sein Herz stand still. In den Aufnahmen, die uns aus der Intensivstation erreicht haben, ist sein Gesicht verfärbt. Seine Nase ist verbunden, es ist getrocknetes Blut zu sehen, und seine Lippen sind geschwollen. Es ist offensichtlich, dass er geschlagen wurde. Wieso sollte bei einem Herzinfarkt die Nase bluten?“

Obduktionsbericht gegen Bestechungsgeld?

Im gerichtsmedizinischen Institut in Istanbul (ATK) sei von der Familie unverblümt eine Art Bestechungsgeld für die Beschleunigung des Obduktionsberichts gefordert worden, erzählt Hikmet Yilmaz: „Als wir zum ATK gingen, war ein Anwalt dabei. Wir wollten, dass es mit dem Obduktionsbericht schneller geht. Daraufhin sagte er, dass er drinnen nachfragt. Dann meinte er, dass er jemanden kennt, der die Formalitäten schnell erledigen kann, dafür jedoch 30.000 TL haben will. Wenn wir zu zahlen bereit wären, würde der Bericht nicht nach vier Monaten kommen, sondern bereits nach zwei Monaten. Diesen Vorschlag haben wir natürlich abgelehnt. Wir haben ja ohnehin nicht viel Geld.“

Hikmet Yilmaz sagt, dass im Gefängnis Silivri niemand seines Lebens sicher sein könne. Heute gebe es in Silivri ähnliche Foltermethoden wie in den 1980er Jahren im Kerker von Diyarbakir. Im Trakt seines Bruders seien hauptsächlich Kurden untergebracht gewesen, die aus diesem Grund misshandelt würden. Es gebe zahlreiche Gerüchte über die Geschehnisse in Silivri, erklärt Yilmaz weiter: „Es heißt, dass Drogen hineingeschmuggelt wurden und der Gefängnisdirektor daran beteiligt ist.“ Er wünsche sich, dass nicht noch mehr junge Menschen ums Leben kommen, sagt Hikmet Yilmaz zuletzt. Die Misshandlungen müssten sofort gestoppt werden.

Was ist in Silivri geschehen?

Nach Angaben des Menschenrechtsvereins IHD und von Angehörigen sind Gefangene in Silivri am 6. April von sechzig Vollzugsbeamten misshandelt worden. In der Folge seien Ferhan Yilmaz und ein namentlich nicht bekannter Gefangener verstorben. Einer der misshandelten Gefangenen ist Halil Kasan. Er berichtete seiner Familie telefonisch von den Vorkommnissen. Das Telefonat wurde von den Angehörigen aufgezeichnet und veröffentlicht. Kasan sagt darin: „Sie haben uns wieder geschlagen und beschimpft. Sie haben uns in einen Weichraum geworfen und sind mit Stiefeln auf unseren Kopf getreten. Sie sind grausam. Sie wollen, dass wir uns erhängen.“