Brief vom Frauenstreik-Kollektiv an Leyla Güven

Das Frauen*streik-Kollektiv Zürich hat in einem Brief an Leyla Güven seine Solidarität mit dem Hungerstreik der kurdischen Politikerin und zahlreicher politischer Gefangener gegen die Isolation Abdullah Öcalans ausgedrückt.

Das Frauen*streik-Kollektiv Zürich hat sich mit einem Brief an die seit mittlerweile 160 Tagen hungerstreikende kurdische Politikerin Leyla Güven gewandt. Darin solidarisiert sich das Kollektiv  mit dem Widerstand der 55-jährigen HDP-Abgeordneten Güven und den rund 7.000 politischen Gefangenen in der Türkei, die ebenfalls mit der Forderung nach Aufhebung der Isolation des kurdischen Repräsentanten Abdullah Öcalans im Hungerstreik sind. 

„Liebe Leyla,

Dies ist ein Brief für Dich und alle weiteren Hungerstreikenden,

Wir sind ein feministisches Kollektiv in Zürich und Teil der feministischen Bewegung in der Schweiz. Seit November verfolgen wir den Hungerstreik über die Medien und hören Berichte von unseren kurdischen Freund*innen.

Auch in der Schweiz unterdrückt ein patriarchales System auf vielfältige Weise die Menschen. Wir befinden uns ebenfalls im Widerstand. Deshalb werden wir am 14. Juni 2019 feministisch streiken. Bei den Vorbereitungen zum Streik sind unsere kurdischen Freund*innen eine Inspiration und Motivation.

Unsere Kämpfe und Unterdrückungen mögen sich unterscheiden, jedoch fühlen wir uns Euch verbunden. Euer Hungerstreik beweist für uns die Willensstärke und Kraft der kurdischen Freiheitsbewegung. Die kurdische Frauen*-Bewegung verkörpert eine feministische Position. Denn ihr steht ein für das Leben und die Freiheit. Ihr zeigt was es bedeutet menschlich zu sein, in einer Umgebung, die menschenfeindlicher nicht sein könnte:

Die Türkei verstößt durch die Totalisolation von Abdullah Öcalan und zahlreicher weiterer politischer Gefangener gegen die Menschenrechte. Dies führte in den letzten Wochen zu dramatischen Ereignissen mit acht Todesfällen. An dieser Stelle möchten wir unsere Trauer über die Tode von Zülküf Gezen, Ayten Beçet, Zehra Sağlam und Medya Çınar, Yonca Akıncı, Siraç Yüksek, Mahsum PamayUğur Şakar und Ümit Acar zum Ausdruck bringen. Die Schuld liegt bei den türkischen Behörden, welche ihrer Verantwortung nicht nachkommen, indem sie die Gesetze gegen Folter und die Menschenrechte missachten.

Deshalb appellieren wir mit diesem Schreiben auch an das europäische Antifolterkomitee und die UN dem Aufruf der Stiftung für Gesellschafts- und Rechtsstudien (Toplum ve Hukuk Araştırmaları Vakfı, TOHAV) nachzukommen und für einen Dringlichkeitsbesuch in die Türkei zu reisen. Die Menschenrechtsverletzungen müssen aufhören.

Im Namen der Menschlichkeit fordern wir hiermit die Politiker in der Schweiz zu einer Stellungnahme zu den Menschenrechtsverletzungen in der Türkei auf. Wir fordern von der Politik sowie der Zivilbevölkerung, Druck auf die türkische Regierung auszuüben, damit sie den Forderungen der Hungerstreikenden nachkommen.

In Solidarität mit den Hungerstreikenden startete am 6. April 2019 die Solidaritätskampagne #7000gegenIsolation. Wir beteiligen uns an der Kampagne und fordern, dass die Welt auf die Verbrechen an den politischen Gefangenen, sowie an der kurdischen Bevölkerung reagiert. Wir unterstützen den Widerstand der Hungerstreikenden, weil wir als Feminist*innen für das Leben, die Würde und die Freiheit aller einstehen. Wir kämpfen weiter, bis alle frei sind.

In Solidarität

Frauen*streik Kollektiv Zürich”

Zum Hintergrund des Hungerstreiks

Abdullah Öcalan, Vordenker der kurdischen Freiheitsbewegung, befindet sich seit seiner Verschleppung im Februar 1999 in der Türkei in Haft. Der letzte Besuch seiner Anwälte fand vor fast acht Jahren statt. Seit Abbruch der Friedensverhandlungen mit der PKK durch die türkische Regierung im Jahr 2015 wird Öcalan von der Öffentlichkeit abgeschottet.

Mit dem von der HDP-Abgeordneten Leyla Güven am 7. November initiierten Hungerstreik werden Bedingungen für Öcalan gefordert, in denen er als Vorsitzender einer legitimen Bewegung leben und arbeiten kann, um so zur Lösung der kurdischen Frage beizutragen.

Nach dem letzten Familienbesuch im September 2016 war sein Bruder Mehmet Öcalan erstmalig wieder am 12. Januar für ein 15-minütiges Gespräch auf Imrali. Die Hungerstreikenden erklärten anschließend, dass ihre Forderung damit nicht erfüllt sei und die Aktion so lange fortgesetzt wird, bis die Isolation Öcalans vollständig aufgehoben ist.