Journalistin Ceylan Şahinli von „Propaganda“-Vorwurf freigesprochen

Die kurdische Journalistin Ceylan Şahinli ist in Ankara vom Vorwurf der „Terrorpropaganda“ freigesprochen worden. In einem anderen Verfahren drohen der MA-Reporterin bis zu 15 Jahre türkischer Knast.

Die kurdische Journalistin Ceylan Şahinli ist in Ankara vom Vorwurf der „Terrorpropaganda“ freigesprochen worden. Ein Strafgericht in der türkischen Hauptstadt entschied am Montag, dass die Anklage keine überzeugenden Beweise dafür vorlegen konnte, die Korrespondentin der Nachrichtenagentur Mezopotamya (MA) gemäß Artikel 7(2) des Anti-Terror-Gesetzes Nr. 3713 zu verurteilen. Das Verfahren sei mit einem Freispruch abzuschließen. Die Staatsanwaltschaft hatte die Verhängung einer Strafe im oberen Bereich gefordert.

Grundlage der Anklage gegen Şahinli sind Veranstaltungen und Twitter-Beiträge, die sie im Jahr 2017 besucht beziehungsweise verfasst haben soll. Damals arbeitete sie noch nicht als Journalistin. Bei den inkriminierten Handlungen geht es unter anderem um eine Protestkundgebung in Ankara, die im Frühjahr jenes Jahres aus Protest gegen Luftangriffe der Türkei gegen Şengal erfolgt war. Kaum war das ezidische Hauptsiedlungsgebiet im Nordwesten des Iraks von der Dschihadistenmiliz „Islamischer Staat“ (IS) gesäubert worden, hatte der türkische Staatsterror gegen die Region begonnen. Die erst Ende 2022 angenommene Anklageschrift gegen Şahinli stammt aus der Feder des Oberstaatsanwalts in Ankara, der auch die Klagen gegen die Ärztekammerpräsidentin Şebnem Korur Fincancı und die Dokumentarfilmerin Sibel Tekin verfasste.

Weitere Veranstaltungen, auf denen Şahinli angebliche Terrorpropaganda betrieben haben soll, sind zwei Gedenkfeiern in Ankara für fünf Internationalist:innen aus der Türkei, die als Mitglieder der Vereinten Freiheitskräfte (Birleşik Özgürlük Güçleri, BÖG) in Nordsyrien ums Leben gekommen sind. Ulaş Bayraktaroğlu, Gründer der Partei der revolutionären Kommunarden (Devrimci Komünarlar Partisi, DKP) und Kommandant ihres bewaffneten Arms BÖG, starb am 9. Mai 2017 vor Raqqa im Zuge der Befreiungsoffensive „Zorn des Euphrats“ durch die Detonation einer vom IS hinterlassenen Mine. Özge Bali, Asiye Özlahlan, Cenk Kılagöz und Yusufbaş Akay fielen zwölf Tage zuvor bei Gefechten mit türkischen Soldaten und Dschihadisten der sogenannten FSA (Freie syrische Armee) in Darat Izza nahe Aleppo. Die Şahinli zur Last gelegten Tweets beziehen sich auf Proteste von ehemaligen Staatsbediensteten, die nach dem vermeintlichen Putschversuch 2016 im Rahmen von Notstandsdekreten (KHK) entlassen wurden.

Ceylan Şahinli war nicht persönlich im Gerichtssaal anwesend und ließ sich von ihrem Rechtsanwalt Resul Temur verteidigen. Der Jurist vertritt dutzende Medienschaffende in der Tradition der freien kurdischen Presse und wird auch immer wieder selbst mit Ermittlungen überzogen und Anklagen konfrontiert – zuletzt saß er im April im Rahmen einer landesweiten „Anti-Terror-Operation” vorübergehend in Polizeihaft. Temur verteidigt Şahinli auch in einem ebenfalls in Ankara anhängigen Verfahren gegen die kurdische Presse, in dem insgesamt zwölf Journalistinnen und Journalisten angeklagt sind. Neun von ihnen saßen von Oktober bis Mai in Untersuchungshaft, ihnen drohen Freiheitsstrafen von bis zu 15 Jahren. Ihnen wird zur Last gelegt, sich mitgliedschaftlich für die kurdische Arbeiterpartei PKK betätigt zu haben.


Personen, die gemäß Artikel 7(2) des türkischen Anti-Terror-Gesetzes (Gesetz Nr. 3713) der „Propaganda für eine terroristische Organisation“ schuldig befunden werden, können ein bis fünf Jahre Gefängnis erhalten. Diese Strafe kann um die Hälfte erhöht werden, wenn die „Propaganda“ veröffentlicht wurde oder über die Presse öffentlich gemacht wurde.