Der Journalist Idris Yılmaz ist von einem türkischen Gericht in Wan (tr. Van) wegen Körperverletzung zu einer Haftstrafe von viereinhalb Monaten verurteilt worden. Dem Kurden, der unter anderem für die Vereinigung für Medienrecht und Medienstudien (MLSA) schreibt, wurde ein tätlicher Angriff auf einen Bauunternehmer vorgeworfen, gegen den er im Zusammenhang mit Korruptionsvorwürfen im Rathaus der Stadt Erdîş (Erciş) recherchierte. Yılmaz’ Anwalt hat Berufung angekündigt.
Der Vorfall, der verhandelt wurde, liegt fast sechs Jahre zurück. Yılmaz und sein Kollege Erhan Akbaş recherchierten zu Amtsmissbrauchsvorwürfen gegen den 2016 vom AKP-geführten Innenministerium als Zwangsverwalter für Erdîş eingesetzten Regierungsbeamten Mehmet Şirin Yaşar. Dieser hatte laut zahlreichen Medienberichten in die eigene Tasche gewirtschaftet und öffentliche Bauaufträge ausschließlich an AKP-nahe Firmen verteilt. Einige dieser Aufträge gingen an den Unternehmer Şahin Yağar. Im Herbst 2017 erhielt dessen Firma den Zuschlag für den Bau einer Küstenstraße in Erdîş.
Am 14. Oktober 2017 konfrontierten Yılmaz und Akbaş den Bauunternehmer mit ihren Rechercheergebnissen. Die Journalisten hatten unter anderem aufgedeckt, dass kommunale Baumaschinen und auch Angestellte der Stadt auf den Baustellen von Yağars Firma Vensira Med.San. Tic. Ltd. Eingesetzt wurden. Daraufhin wurden sie von Yağar und einer Gruppe seiner Mitarbeiter verprügelt. Stundenlang galten die Reporter damals als verschollen, erst am Abend brachte man sie in ein Krankenhaus. Dort wurden sie erneut angegriffen – diesmal von mehreren Verwandten des Bauunternehmers. Doch die hinzugerufene Polizei nahm nicht die Angreifer fest, sondern die beiden Journalisten.
Der Angriff auf Yılmaz | Foto: Erhan Akbaş
„Ich war damals als Journalist vor Ort, um im öffentlichen Interesse zu berichten. Ich hatte Yağar zu den Korruptionsvorwürfen befragt und ihm meine Recherergebnisse gezeigt”, schilderte Idris Yılmaz vor Gericht. Den an seine Person gerichteten Vorwurf der Körperverletzung wies der Reporter zurück. „Ich habe nichts weiter getan, als meinem Beruf nachzugehen. Deshalb wurde ich angegriffen.” Das Gericht kam zum Schluss, dass der Journalist „nicht glaubwürdig” sei, obwohl von dem Übergriff Fotos vorliegen, die die Version von Yılmaz stützen. Seine bei dem Vorfall zu Bruch gegangene Kamera wertete das Gericht als „Waffe“, der ebenfalls angeklagte Erhan Akbaş wurde freigesprochen. Eine weitere Verurteilung betraf Şahin Yağar. Er erhielt zehn Monate und fünfzehn Tage Haft und soll eine Geldstrafe in Höhe von 3.800 Lira (umgerechnet etwa 165 Euro) zahlen.