Trockenheit verzögert Aufbruch der Nomad:innen in Şirnex

In den Ausläufern des Gabar-Gebirges bereiten sich die Koçer auf ihre alljährliche Wanderung in die Sommerweiden vor. Doch in diesem Jahr verzögert sich der Aufbruch: Grund sind unter anderem ausbleibende Regenfälle.

Tradition im Wandel

In den Ausläufern des Gabar-Gebirges in der Provinz Şirnex (tr. Şırnak) bereiten sich die Koçer – kurdische Halbnomad:innen – auf ihre alljährliche Wanderung in die Sommerweiden vor. Doch in diesem Jahr verzögert sich der Aufbruch: Grund sind ausbleibende Regenfälle und zunehmende Einschränkungen durch staatliche Betretungsverbote und steigende Pachtkosten.

In der Nähe des Dorfes Kanîreş im Kreis Hezex (dil) warten dutzende Familien auf den richtigen Moment, ihre Zelte abzubrechen. Die Weideflächen, auf die sie mit ihren Herden ziehen wollen, haben bislang nicht ausreichend Gras gebildet, wie mehrere Nomad:innen im Gespräch mit der Journalistin Zeynep Durgut berichten.

„Das Land ist trocken, doch wir müssen los“

„Normalerweise brechen wir Anfang April auf“, sagt Leyla Geçit, eine der Nomad:innen vor Ort. „Aber dieses Jahr gab es kaum Regen. Das Gras ist nicht gewachsen, und unsere Tiere haben darunter gelitten. Nun bleibt uns nichts anderes übrig, als dennoch loszuziehen – auch wenn das Land noch karg ist.“

Foto © Zeynep Durgut/MA

Geçit beschreibt die wachsenden Schwierigkeiten ihres traditionellen Lebensstils: „Früher war das Leben als Koçer nicht so schwer. Heute gibt es zwar mehr technische Möglichkeiten, aber wir stehen überall vor Einschränkungen.“ Viele Weideflächen seien privatisiert oder würden nur noch gegen hohe Gebühren zur Nutzung freigegeben. Hinzu kämen zahlreiche Verbote von Regierung und Militär, die den Zugang zu bestimmten Gebieten erschweren oder ganz untersagen. „Ständig hören wir: ‚Das ist eine verbotene Zone.' Wir wissen oft nicht mehr, wo wir unsere Zelte überhaupt noch aufstellen dürfen.“

Herausforderungen von Frauen

Hayriye Geçit, die sich ebenfalls auf den baldigen Aufbruch vorbereitet, berichtet von den körperlichen und organisatorischen Herausforderungen – insbesondere für die Frauen: „Wir tragen die Kinder auf dem Rücken, kümmern uns um die Tiere, melken sie und organisieren den gesamten Alltag. Die Arbeit nimmt kein Ende.“

Trotz aller Härten liebt sie das Nomadenleben: „Wir ziehen in Richtung Wan, wie jedes Jahr. Dort bleiben wir bis zum Herbst und kehren dann zurück. Die Reise ist lang und beschwerlich, aber es ist unser Leben.“

Foto © Zeynep Durgut/MA

„Viehzucht verliert an Boden“

Sait Geçit, ein älterer Koçer, sieht in der aktuellen Entwicklung ein strukturelles Problem. Die Lebensgrundlage der Nomad:innen sei bedroht: „Früher wurde die Viehzucht unterstützt, heute bleibt uns nichts mehr. Alles kostet Geld, jeder Schritt auf fremdem Boden bedeutet eine neue Gebühr. Ohne staatliche Förderung stirbt diese Lebensweise langsam aus.“ Trotzdem hätten sie ihre Vorbereitungen abgeschlossen und würden demnächst aufbrechen – aus Notwendigkeit, nicht aus Wahl.

Tradition im Wandel

Die Geschichte der Koçer ist eng mit der kurdischen Kultur und der regionalen Landwirtschaft verbunden. Doch zunehmende wirtschaftliche Belastungen, klimatische Veränderungen und politische Restriktionen stellen das jahrhundertealte Lebensmodell auf eine harte Probe. Für viele bleibt das Nomadentum dennoch ein Ausdruck von Freiheit, Identität und Selbstbestimmung, auch in Zeiten der Dürre.