Die Repressionswelle gegen kurdische Medieneinrichtungen in der Türkei sorgt auch international für Proteste. Das Komitee für den Schutz von Journalisten (CPJ) bezeichnete die Festnahmeoperation als willkürlich und einen weiteren „schwarzen Tag“ für die Presse in dem Land. „Die Behörden sollten sich für ihre Razzien in Redaktionen und Wohnungen von Journalisten schämen und die Festgenommenen unverzüglich freilassen“, sagte Gulnoza Said, Koordinatorin des CPJ-Programms für Europa und Zentralasien, in New York.
Am Mittwoch hat die türkische Justiz zu einem neuen Schlag gegen die kurdische Presse ausgeholt. In Amed (tr. Diyarbakır) wurden auf Anordnung der dortigen Generalstaatsanwaltschaft diverse Wohnungen sowie die Redaktionsräume der Frauennachrichtenagentur JinNews gestürmt und durchsucht, insgesamt zwanzig Journalistinnen und Journalisten sind festgenommen worden. Diverse Festplatten und Motherboards von Computern wurden demontiert und mitgenommen. Zahlreiche Speichermedien, Mobiltelefone, Zeitungen und Magazine sind beschlagnahmt.
Der Jurist Nahit Eren, Vorsitzender der Anwaltskammer in Amed, konnte die Festgenommenen in Begleitung von zwei Kollegen erstmals am Donnerstagabend besuchen. Noch immer ist unklar, was den Betroffenen vorgeworfen wird. Die Akte unterliegt einer Geheimhaltungsklausel, selbst Anwältinnen und Anwälte haben keinen Zugang. Die Medienschaffenden werden nach wie vor in Einzelzellen in der Antiterrorabteilung der Polizei Diyarbakır festgehalten. Am Freitag wurde die Dauer der Polizeihaft um vorerst zwei Tage verlängert, weil die Fahndung nach weiteren „Gesuchten“ noch nicht abgeschlossen sei. Parallel fanden polizeiliche Durchsuchungen in den Räumlichkeiten der Produktionsfirmen Pel Yapım, Piya Yapım und Ari Yapım statt. Auch dort kam es zur Beschlagnahme von Festplatten, Computern und technischer Ausrüstung.
Die US-amerikanische Journalistin und Buchautorin Debbie Bookchin ließ ihren festgenommenen Kolleginnen und Kollegen eine Solidaritätsbotschaft zukommen. „Ihr Mut ist im Angesicht von Erdogans totalitärem Regime eine Inspiration für Journalisten in der ganzen Welt“, heißt es in dem Statement. „Wir wissen, dass Sie jeden Tag Ihr Leben aufs Spiel setzen, um der Welt die Wahrheit über die Unterdrückung und die Schwierigkeiten des täglichen Lebens der Kurden und anderer ethnischer Minderheiten in der Türkei zu vermitteln. Ich bin mit Ihnen solidarisch und werde alles in meiner Macht Stehende tun, um auf die ungeheuerliche Unterdrückung der Meinungsfreiheit in der Türkei aufmerksam zu machen.“
Debbie Bookchin in Rojava © privat
Darüber hinaus sei es wichtig, dass die USA und andere demokratische Länder den Zusammenhang zwischen der „Unterdrückung unabhängiger Medienschaffender in der Türkei“ und den Bemühungen des Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan, „andere NATO-Länder zu erpressen, damit sie amerikanische F-16-Kampfjets und andere NATO-Waffen zur Unterdrückung von Minderheiten in der Türkei und anderswo liefern“, anerkennen, fordert Bookchin. Es reiche nicht aus, die von Erdogan angeordneten Festnahmen und Verhaftungen von Journalist:innen zu verurteilen. „Kollegen im Westen müssen von den politischen Verantwortlichen in den USA und Europa Antworten darauf verlangen, wie sie eine so starke Unterdrückung der freien Meinungsäußerung in der Türkei dulden und sogar erwägen können, den Forderungen der Türkei nach zusätzlichen Waffen im Austausch für die Aufnahme Schwedens und Finnlands in die NATO nachzugeben.“
Hochkarätige Journalistinnen und Journalisten festgenommen
Bei den festgenommenen Medienschaffenden handelt es sich um hochkarätige Vertreter:innen der freien kurdischen Presse: Serdar Altan (Ko-Vorsitzender des Journalistenvereins Dicle-Firat, DFG), Safiye Alagaş (Direktorin der Frauennachrichtenagentur JinNews), Gülşen Koçuk (Redakteurin von JinNews), Aziz Oruç (Redakteur der Nachrichtenagentur Mezopotamya, MA), Ömer Çelik, Suat Doğuhan, Ramazan Geciken, Berivan Karatorak, Esmer Tunç, Neşe Toprak, Zeynel Abidin Bulut, Mazlum Doğan Güler, Mehmet Şahin, Elif Üngür, Ibrahim Koyuncu, Remziye Temel, Mehmet Yalçın und Abdurrahman Öncü. Im selben Ermittlungsverfahren ist auch die Aktivistin Feynaz Koçuk aus Gebze in der Westtürkei festgenommen worden.