Das Europäische Komitee zur Verhinderung von Folter (CPT) ist verantwortlich für die Kontrolle der Haftbedingungen auf der türkischen Gefängnisinsel Imrali, wo der kurdische Repräsentant Abdullah Öcalan seit 25 Jahren in Isolationshaft einsitzt. Seit über 40 Monaten befindet sich Öcalan in Incommunicado-Haft, einer Zuspitzung der an sich schon illegalen Isolationsfolter. Nun beantwortete das CPT zum ersten Mal Fragen von ANF zur Situation von Öcalan. Das CPT bezeichnete die fortwährende Verweigerung des Rechts auf Familien- und Anwaltsbesuche für Abdullah Öcalan als inakzeptabelen Widerspruch zu internationalen Standards, entschied sich jedoch offensichtlich dafür, die eigene Verantwortung zu ignorieren und den Ball der Türkei zuzuspielen.
Das CPT hatte in einem Bericht festgestellt, dass sich die Gefangenen 158 von 168 Stunden pro Woche in Einzelhaft befinden und am Wochenende Totaleinschluss herrscht. Trotzdem erklärte das CPT, es könne Imrali jederzeit besuchen und es gebe keine schlechte Behandlung bzw. Misshandlung in dem Inselgefängnis.
Die Incommunicado-Haft von Öcalan und seinen Mitgefangenen widerspricht sowohl dem türkischen Recht als auch der Europäischen Konvention für Menschenrechte und der Erklärung der Vereinten Nationen zur Verhinderung von Folter. Der türkische Staat versucht, diese illegale Praxis durch eine serielle Verhängung von willkürlichen Disziplinarstrafen juristisch zu bemänteln.
Das CPT ist nicht nur direkter Ansprechpartner zur Situation auf Imrali, sondern hat auch die alleinige Befugnis, das Inselgefängnis zu sogenannten Adhoc-Besuchen zu betreten. Daher kommt dem Antifolterkomitee eine besondere Verantwortung zu. Dennoch bleibt das CPT bei zahmen Lippenbekenntnissen und schweigt zur Situation von Abdullah Öcalan. Bisher hat das CPT alle Anfragen verschiedener gesellschaftlicher Initiativen, aber auch der Anwält:innen Öcalans zu Imrali unbeantwortet gelassen oder mit der lapidaren Aussage, man verfolge die Situation „aufmerksam” abgetan. Insofern kann das CPT direkt für das Isolationsregime auf Imrali, das die Anwält:innen Öcalans nicht ohne Grund als „beispiellos” bezeichnen, mitverantwortlich gemacht werden.
Die ANF-Redaktion setzte sich ebenfalls dafür ein, Antworten auf die Fragen, die sich Millionen von Menschen, insbesondere das kurdische Volk, zur Situation auf Imrali stellen, zu bekommen. Unsere Bitte um ein persönliches Treffen am 9. Juli mit dem Vizepräsidenten des CPT, Hans Wolff, der der Delegation angehörte, das Inselgefängnis zuletzt besuchte, oder einem anderen Vertreter des CPT, wurde mit der Begründung abgelehnt, dass ein solches Treffen nicht möglich sei, da der Bericht über den letzten Besuch von Imralı noch nicht veröffentlicht worden sei. Allerdings kann eine Veröffentlichung eines Berichts nur unter Zustimmung des betreffenden Staats, in dem Fall der Türkei, erfolgen. Die ANF-Redaktion konnte jedoch zumindest durchsetzen, dass das CPT schriftliche Fragen beantwortet. Wir veröffentlichen die Antworten des CPT Exekutive Secretary Hugh Chetwynd. Das CPT hat auf Türkisch geantwortet, die Antworten wurden in die deutsche Sprache übertragen.
Ist der Grund für die Nichtveröffentlichung des CPT-Berichts zum Imrali-Besuch im September 2022 die fehlende Zustimmung der Türkei?
Das Übereinkommen zur Einrichtung des CPT beruht auf zwei Säulen: Zusammenarbeit und Vertraulichkeit. Folglich darf das CPT einen Bericht nur mit Genehmigung des Vertragsstaates veröffentlichen.
Das Ausbleiben von Nachrichten der Gefangenen auf Imrali hat in der Öffentlichkeit große Besorgnis ausgelöst. Was unternimmt das CPT in dieser Hinsicht?
Das Komitee befindet sich in einem ständigen Dialog mit den türkischen Behörden. Dieser Dialog unterliegt der Vertraulichkeit. Es ist jedoch wichtig zu betonen, dass die Delegation 2019, wie auch bei früheren Besuchen, keine Vorwürfe über die Misshandlung von Häftlingen durch Gefängnisbeamte im Imrali-Gefängnis erhalten hat. Im Gegenteil, alle Inhaftierten gaben an, dass sie vom Personal angemessen behandelt wurden.
Plant das CPT in Anbetracht des Ausbleibens an Nachrichten, das Imrali-Gefängnis erneut zu besuchen?
Das CPT hat Imrali neunmal besucht, und zwar 1999, 2001, 2003, 2007, 2007, 2010, 2013, 2016, 2019 und 2022, jedes Mal im Rahmen eines Ad-hoc-Besuchs. Das CPT kann beschließen, Imrali einen weiteren Besuch abzustatten, wenn es dies für notwendig erachtet.
Die Anwält:innen des kurdischen Repräsentanten Abdullah Öcalan und der drei übrigen Gefangenen auf Imrali weisen darauf hin, dass es seit über drei Jahren keine Kommunikation mit den Gefangenen in Imrali gibt. Ist sich das CPT dieses absoluten Fehlens jeder Kommunikation bewusst und was unternimmt es, um diesen Mangel zu beheben?
Das CPT verfolgt die Situation von Abdullah Öcalan und den drei anderen Gefangenen sehr genau. Neben dem laufenden Dialog mit den nationalen Behörden steht das CPT in regelmäßigem Kontakt mit den Anwälten von Abdullah Öcalan.
Stehen die Gefangenen in Imrali unter totaler Isolation?
In seinem Bericht von seinem Besuch 2019 stellte das CPT fest, dass alle Gefangenen die meiste Zeit in Isolationshaft gehalten wurden (d.h. 159 von 168 Stunden pro Woche, einschließlich 24 Stunden am Tag an den Wochenenden). Nach Ansicht des CPT ist eine solche Situation inakzeptabel.
Wie bewertet das CPT, das erklärtermaßen gegen Folter und Misshandlung vorgeht, dass Gefangenen das Recht auf Familien- und Anwaltsbesuch über lange Zeiträume verwehrt wird? Ist dies nicht ein Verstoß gegen diese Konvention?
Die Frage des Zugangs der Personen, die im Imrali-Gefängnis inhaftiert sind, zur Außenwelt, war stets Gegenstand eines intensiven und langwierigen Dialogs zwischen dem CPT und den türkischen Behörden. Das CPT hat in seinem Dialog mit den Behörden wiederholt betont, dass die anhaltende Verhinderung von Besuchen durch Anwälte und Familienangehörige inakzeptabel ist und eindeutig im Widerspruch zu den verschiedenen geltenden internationalen Menschenrechtskonventionen und -standards steht.
In früheren Berichten hat das CPT den türkischen Behörden eine Reihe von Empfehlungen zur Verbesserung der Bedingungen auf Imralı mitgeteilt gegeben. Hat die Türkei diese CPT-Empfehlungen berücksichtigt?
Das CPT fordert die nationalen Behörden eines jeden Vertragsstaates immer auf, auf seinen Bericht zu antworten. In dieser Antwort sollte angegeben werden, welche Maßnahmen die Regierung ergriffen hat, um die angesprochenen Probleme zu lösen. Die Antwort der türkischen Regierung auf die Empfehlungen im Bericht 2019 ist auf der Website des Ausschusses verfügbar. Andere Informationen als die in der Antwort der Behörden enthaltenen dürfen nicht veröffentlicht werden.
Entscheidende Fragen bleiben unbeantwortet
Unsere Fragen, ob das CPT seiner Satzung folgen wird und eine öffentliche Erklärung gegenüber der Türkei abgeben wird und ob es angesichts der Situation, in der sich Abdullah Öcalan befindet, eine aktivere Rolle übernehmen wird, blieben vom CPT unbeantwortet. Die unbeantworteten Fragen lauteten:
„Das CPT hat kürzlich eine öffentliche Erklärung (gemäß Artikel 10 (2) des Übereinkommens) gegen Aserbaidschan abgegeben. Beabsichtigt es, eine solche Erklärung auch gegen die Türkei abzugeben?” und „Mauro Palma und Marc Neve, ehemalige Vorsitzende des CPT, die Imralı mehrmals besucht hatten, sagten, dass İmralı kein geeigneter Ort für ein Gefängnis ist und wiesen darauf hin, dass das CPT angesichts der Bedingungen von Abdullah Öcalan eine aktivere Rolle spielen könnte. Ist das Inselgefängnis von Imralı, wo Besuche von Anwälten aus verschiedenen Gründen immer wieder verhindert werden, nach Ansicht des CPT für eine Strafvollzugsanstalt geeignet? Beabsichtigt das CPT, angesichts der Haftbedingungen von Abdullah Öcalan eine aktivere Rolle zu übernehmen?”