Für eine Lösung der kurdischen Frage
Nach Angaben der Kurdischen Frauenbewegung in Europa (TJK-E) haben sich innerhalb von knapp drei Monaten über 20.000 Frauen an einer Briefkampagne gegen die Isolation von Abdullah Öcalan beteiligt und das Europarats-Komitee zur Verhütung von Folter (CPT) zum Handeln aufgefordert. Wie die TJK-E heute in einer Mitteilung bekannt gab, wurde das Antifolterkomitee im Rahmen der Briefkampagne tausendfach an seine Aufgabe erinnert. Die Isolation des kurdischen Vordenkers müsse durchbrochen und die Öffentlichkeit unverzüglich über seine Haftbedingungen und seinen Gesundheitszustand aufgeklärt werden, so die TJK-E:
„Wir fordern das CPT ein weiteres Mal auf, seine Aufgabe wahrzunehmen und einen zufriedenstellenden Bericht zu veröffentlichen. Als Kurdische Frauenbewegung in Europa werden wir unsere Aktivitäten innerhalb der Offensive ,Freiheit für Öcalan und eine politische Lösung der kurdischen Frage' fortführen. Wir betrachten Rêber Apos Freiheit als unsere eigene Freiheit und werden uns mit neuen Aktionsformen ununterbrochen weiter dafür einsetzen.“
„Das kurdische Volk wird isoliert“
Die TJK-E erklärte, dass das Kontaktverbot zwischen Abdullah Öcalan und seinen Anwält:innen und Angehörigen eine weltweit beispiellose Form der Rechtslosigkeit darstelle und Teil der Vernichtungspolitik gegen das kurdische Volk sei. Weiter hieß es in der Mitteilung:
„Diktator Erdogan will mit Massakern und Besatzungsangriffen die kurdische Freiheitsbewegung vernichten und bereitet sich damit seinen eigenen Untergang. Der Widerstand der Guerilla und der demokratische Kampf des kurdischen Volkes haben seinen Plan untergraben, und Rêber Apos demokratisches, frauenbefreiendes und ökologisches Paradigma ist eine Alternative zum krisengebeutelten kapitalistischen System geworden. Erdogan will seinen Einfluss im Nahen Osten vergrößern und an der Macht bleiben, um als der Führer, der die neo-osmanischen Träume wahrgemacht hat, in die Geschichte einzugehen. Dieses Ziel bedeutet Krieg, Besatzung, Massaker, Verhaftungen, Gewalt an Frauen, Vergewaltigungen, Feminizid und Chaos in den Lebensräumen der Menschen. Alle angeblich zu demokratischen Zwecken gegründeten internationalen Institutionen und Staaten sehen dieser Vernichtungspolitik zu und geben der Erdogan-Regierung grünes Licht. Damit signalisieren sie Unterstützung. Für die Isolation des kurdischen Volkes sind die internationalen Mächte verantwortlich.“
Hintergrund: Seit 2021 kein Lebenszeichen
Abdullah Öcalan, der 1978 die Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) begründete, gilt als wirkmächtigster politischer Gefangener der Gegenwart. Seit er vor mehr als 25 Jahren im Rahmen eines internationalen Komplotts, an dem unter anderem die USA und Israel beteiligt waren, in Kenia entführt und völkerrechtswidrig an die Türkei übergeben wurde, befindet er sich unter Abschottung von der Außenwelt im Inselgefängnis Imrali. Den letzten Anwaltsbesuch erhielt der heute 75-Jährige 2019, letztmaliger Familienbesuch kam 2020 zustande. Im März 2021 wurde bedingt durch eine internationale Protestwelle ein Telefongespräch zwischen Öcalan und seinem Bruder ermöglicht, das jedoch nach wenigen Minuten aus unbekannten Gründen unterbrochen worden ist.
Seitdem gibt es kein Lebenszeichen mehr von Öcalan und seinen drei Mitgefangenen Ömer Hayri Konar, Hamili Yıldırım und Veysi Aktaş. Besuchsanträge der Istanbuler Kanzlei Asrin, die die vier Imrali-Gefangenen anwaltlich vertritt, werden von der türkischen Justiz abgelehnt, Auskunftsersuchen bleiben unbeantwortet. Zur juristischen Ummantelung werden alle sechs Monate Disziplinarstrafen verhängt. Auch internationale Initiativen zur Aufhebung der Isolation auf Imrali werden in Ankara ignoriert.
Das Europäische Komitee zur Verhütung von Folter (CPT) hat nach einem Besuch im Inselgefängnis Imrali im Jahr 2019 festgestellt, dass die Incommunicado-Haft im Widerspruch zu internationalen Menschenrechtsstandards steht. Das Verbot von Anwaltsbesuchen verstößt gegen die 2015 aktualisierten Standard-Mindestregeln der Vereinten Nationen (UN) für die Behandlung von Gefangenen (Nelson-Mandela-Regeln), gegen die Empfehlungen des Antifolterkomitees des Europarats (CPT) und gegen das türkische Vollzugsgesetz.
Foto: Frauen in Zürich bringen Briefe zur Post, Juni 2024