Am vergangenen Wochenende ist der lang geplante Kongress des kurdischen Europadachverbands KCDK-E in Bergisch Gladbach von der Bundesregierung verhindert worden. Begleitet wurde das Verbot mit einer von behördlichen Kreisen lancierten Hetzkampagne. Der Verband hielt seinen Kongress stattdessen als öffentliche Freiluftveranstaltung im Rahmen einer Kundgebung in Köln ab. Zeitgleich wurden Hunderte Bereitschaftspolizisten und zivile Unterstützungskräfte mit weit mehr als sechzig Mannschaftswagen offenbar zur Machtdemonstration am Bahnhofsvorplatz im rechtsrheinischen Deutz postiert. Weitere Polizeifahrzeuge waren an den Zufahrtsstraßen aufgefahren, an mehreren Punkten wurden Personenkontrollen durchgeführt.
Rechtsanwalt Roland Meister von der Kanzlei Meister & Co aus Gelsenkirchen
Rechtsanwalt Roland Meister, der den KCDK-E in der Angelegenheit vertritt, sieht in dem behördlichen Vorgehen einen massiven Eingriff ist das Vereinigungs- und Versammlungsrecht. Der Jurist vertritt kurdische Einrichtungen und Einzelpersonen seit mehr als vierzig Jahren und hat sich gegenüber Dilan Karacadag von der Tageszeitung Yeni Özgür Politika zu dem Vorgehen geäußert.
„Die Regierung stellt sich auf den Standpunkt, der KCDK-E sei eine Teilorganisation der verbotenen PKK. Konkret wird gesagt, der KCDK-E sei die Nachfolgeorganisation der ERNK, die seinerzeit auch mit einem Betätigungsverbot belegt worden ist. Von daher sei seine Tätigkeit in Deutschland ohnehin verboten und das Verbot müsse lediglich vollzogen werden“, erklärt der Gelsenkirchener Rechtsanwalt. Das sei eine ähnliche Argumentation wie gegenüber dem MIR-Verlag.
Yüksel Koç wurde als Ko-Vorsitzender des KCDK-E angerufen und ihm wurde mitgeteilt, dass er als Gefährder betrachtet wird. Falls der Kongress trotzdem stattfinde, werde die Polizei massiv dagegen vorgehen und weitere polizeiliche Maßnahmen vollziehen, also Festnahmen, Identitätsfeststellungen, Strafverfahren durchführen. „Das war die rechtliche Einordnung. Wir sehen das natürlich anders. Der KCDK-E ist eine europäische legale Organisation, er ist der größte kurdische Dachverband in Europa mit mehr als 400 Mitgliedsorganisationen und in Belgien registriert. Diese Maßnahme war zutiefst rechtswidrig. Sie verstößt gegen die europäische Menschenrechtskonvention und gegen deutsches Verfassungsrecht, gegen das Versammlungsgesetz. Wenn man meint, das verbieten zu müssen, hätte zumindest ein schriftlicher Bescheid erfolgen müssen, und das ist nicht passiert. Dagegen gehen wir mit einer Klage vor dem Verwaltungsgericht vor. Wir wehren uns gegen die Feststellung, der KCDK-E sei eine verbotene Teilorganisation der PKK/ERNK“, so Roland Meister.
„Entscheidung von höchster Stelle“
Inhaltlich geht bei der Klage um die Behauptung, dass der KCDK-E bereits verboten ist. Meister betrachtet dieses Vorgehen als einen der massivsten Angriffe auf das Recht auf Organisation, Vereinigung und Meinungsfreiheit: „Es ist ein ungeheurer Schritt gewesen, was hier die deutsche Polizei in Wechselbeziehung zum Inlandsgeheimdienst gemacht hat, um einen legalen Kongress einer europäischen Vereinigung in Deutschland zu kriminalisieren und zu verhindern. Dagegen muss mit aller Kraft juristisch und politisch vorgegangen werden. Dazu muss auch Solidarität von deutschen Organisationen entwickelt werden, weil es ein Angriff auf das Vereinigungs- und Versammlungsrecht ist. Der Kongress war nicht verboten, es gab ja sogar ein Grußwort der Oberbürgermeisterin von Köln. Es hat offensichtlich kurz vorher eine Entscheidung von höchster Stelle aus gegeben, diesen Kongress mit allen Mitteln zu verhindern.“
Yüksel Koç, Ko-Vorsitzender des KCDK-E, Familienvater und langjähriger kurdischer Aktivist
Der Rechtsanwalt sieht eine deutliche Verschärfung gegenüber demokratischen Rechten und weist auf den unangemessener Polizeieinsatz bei der Demonstration gegen das neue Versammlungsgesetz in Nordrhein-Westfalen hin: „Dagegen muss man natürlich vorgehen und das wird meiner Meinung nach auch Erfolg haben. Wir gehen natürlich auch gegen die Gefährderansprache vor, weil diese Begrifflichkeit eine massive Kriminalisierung der betroffenen Personen bedeutet, die dann auf Fahndungslisten kommen. Das wird Herr Koç nicht auf sich sitzen lassen. Wir werden auch juristisch vorgehen gegen die Verunglimpfungen, die seitens der Medien erfolgt sind. Bevor Herr Koç informiert worden ist, hat die Polizei und ganz konkret Kriminaldirektor Michael Esser vom Staatsschutz Köln Informationen in bestimmte Teile der Medien lanciert, die dann auch veröffentlicht worden sind. Unter anderem ist in übelster frauenfeindlicher Art geschrieben worden, dass kurdische Loverboys nach Köln und Umgebung kommen, um junge kurdische Frauen zu verführen, damit sich diese dann der Guerilla anschließen. Das ist ungeheuerlich.“
Rechtsanwalt Roland Meister sieht in dem Vorgang einen neuen Höhepunkt in der Kriminalisierung der kurdischen Bewegung, der sehr ernst genommen werden müsse. Diese Kriminalisierung sei auch Ausdruck der sehr engen Zusammenarbeit zwischen Deutschland und dem türkischen Regime. Bundesaußenminister Heiko Maas sei in den letzten Jahren schließlich nicht umsonst wiederholt in die Türkei gereist.