Deutsche Sicherheitsbehörden haben den vierten Kongress des kurdischen Europadachverbands KCDK-E verboten. Wie der Vorstand informiert, ist dem Verband am Freitag von der Kölner Polizei mitgeteilt worden, dass die für Sonntag in Bergisch Gladbach geplante Konferenz nicht stattfinden darf. Gleichzeitig wurden auf deutschsprachigen Nachrichtenportalen wie Focus Online, Kölner Stadtanzeiger und DPA diffamierende Berichte über die kurdische Selbstorganisierung und die Aktivitäten des Dachverbands veröffentlicht. Darin heißt es unter anderem, dass „200 hochrangige PKK-Funktionäre” bei dem Kongress zusammenkommen wollten. Der KCDK-E weist die Vorwürfe entschieden zurück.
Begründung der Polizei eine „Lüge”
„Der Kongress der demokratischen Gesellschaft Kurdistans in Europa -KCDK-E- ist ein in Belgien offiziell eingetragener Verein und hat das Recht, in allen europäischen Ländern Konferenzen zu veranstalten. Die Begründung der Kölner Behörde für das Verbot stellt schlichtweg eine Lüge dar”, erklärt die genderparitätische Doppelspitze der Organisation aus Fatoş Göksungur und Yüksel Koç in einer exklusiven Stellungnahme gegenüber ANF. An der Zusammenkunft sollten laut Göksungur und Koç Delegierte von offiziell eingetragenen Vereinen und Verbänden aus Belgien, den Niederlanden, Großbritannien, Frankreich, Österreich, Schweiz, Schweden, Dänemark, Finnland, Norwegen, Italien, Zypern, Griechenland, Kanada und Australien teilnehmen. In Deutschland waren Vorsitzende und Vertreter:innen kurdischer Gesellschaftszentren aus Städten wie Hamburg, Berlin, Hannover, Stuttgart, Frankfurt und Köln eingeladen.
Antikurdische Stimmungsmache in deutschen Medien
„Wir wurden erst am Freitagabend telefonisch über das Verbot unterrichtet, obwohl die Vorbereitungen für den Kongress seit Wochen laufen und Personen aus ganz Europa anreisen, sodass aufgrund der Kurzfristigkeit ein effektiver Rechtsschutz nicht gewährt wird. Es liegt uns keine schriftliche Begründung für das Veranstaltungsverbot vor. Vielmehr scheinen deutsche Medien gezielt zu informieren, um Stimmung zu machen”, hält der KCDK-E fest.
Kriminalisierung politischen Engagements der Kurd:innen
„Die Unterstellung, die Delegierten seien hochrangige PKK-Funktionäre und damit Teil einer verbotenen Vereinigung, ist existenzbedrohend. Mit dieser durch nichts belegten Behauptung soll die kurdische Selbstorganisierung mundtot gemacht werden. Die Aberkennung der Grundrechte auf Versammlungs- und Meinungsfreiheit ist erst der erste Schritt”, heben Göksungur und Koç in ihrer Stellungnahme hervor. Weiter heißt es: „Dieses kurzfristige Verbot durch die deutschen Behörden ist gleichbedeutend mit der Kriminalisierung des politischen Engagements kurdischer Vereine und tausender Menschen, die Mitglieder dieser europaweit flächendeckend organisierten Gesellschaftszentren sind. Zu dem geplanten Kongress haben eine Vielzahl von Abgeordneten, bedeutenden Persönlichkeiten und Institutionen Solidaritätsbekundungen geschickt. Dieses Verbot reiht sich in eine Chronik von willkürlichen politischen Maßnahmen der deutschen Behörden ein. Das PKK-Verbot schränkt nicht nur die politischen Teilhaberechte der kurdischen Community in Deutschland massiv ein, sondern stellt auch ein Hindernis für eine politische Lösung der kurdischen Frage im Allgemeinen dar. Wir werden gegen das Verbot unseres Kongresses rechtliche Schritte einleiten.
Perverse, skandalöse und absurde Berichterstattung
Parallel zu dieser willkürlichen Verbotsentscheidung hat auch die Berichterstattung von Focus Online einen Tiefpunkt erreicht. Während eine journalistische Berichterstattung Fakten erfordert, fungiert das Portal mit seiner Darstellung als politisches Sprachrohr der deutschen Sicherheitsbehörden. Die darin aufgestellten Behauptungen sind pervers, skandalös und absurd. Sie stellen eine Beleidigung für die kurdische Gemeinschaft und ihren Kampf um Demokratie, Würde und Freiheit dar. Mit dieser Berichterstattung, die das PKK-Verbot als gegeben hinnimmt, wird eine sachliche Auseinandersetzung mit den berechtigten Forderungen der Kurdinnen und Kurden nach Anerkennung verhindert. Wir laden neben der Politik daher auch die Presse zu einer sachlichen Auseinandersetzung mit der kurdischen Frage und dem PKK-Verbot ein. Zentral dafür sollte eine Achtung der Menschenrechte der Kurdinnen und Kurden und einer Förderung des Dialogs zur Lösung der kurdischen Frage sein. Notwendig ist eine offene politische Auseinandersetzung. Notwendig ist Dialog statt Verbot. Als kurdischer Dachverband unterstreichen wir unsere Offenheit für einen Dialog.
Einladung zu Attentat
Mit der offenen Nennung von kurdischen Politiker:innen und Vorstandsmitgliedern unseres Dachverbands, die sich mit demokratischen Mitteln für Frieden und Demokratie engagieren, werden sie offen zur Zielscheibe türkischer Nationalist:innen gemacht. Während in Deutschland in den letzten Tagen über die Lebensgefahr für Kritikerinnen und Kritiker von Recep Tayyip Erdogan und die Bedrohung durch ‚Zuträger’ des türkischen Geheimdienstes für Oppositionelle diskutiert wird, ist die gezielte Dämoniserung kurdischer Selbstbestimmung durch falsche Behauptungen mehr als unverantwortlich. Denn sie kommt einer Einladung zu einem Attentat gleich. Wir erinnern an Ziffer 1 des Pressekodex: Die Achtung vor der Wahrheit, die Wahrung der Menschenwürde und die wahrhaftige Unterrichtung der Öffentlichkeit sind oberste Gebote der Presse.” Der Vorstand des KCDK-E behält sich vor, den Rechtsweg gegen die mediale Hetze, Unterstellungen und Rufmord zu beschreiten.
Was ist der Dachverband KCDK-E?
Der KCDK-E wurde im Jahr 2015 gegründet und ist ein europaweiter Dachverband kurdischer Organisationen und Einrichtungen. In ihm organisieren sich insgesamt 26 Verbände und Institutionen, darunter Vertreterinnen und Vertreter kurdischer Gesellschaftszentren aus Europa, Kanada und Australien, die Frauen- und Jugendbewegungen, Institutionen aus allen Teilen Kurdistans und verschiedene Glaubensgemeinschaften. Den 26 Verbänden und Institutionen sind insgesamt 403 Vereine angebunden.
Seinem Selbstverständlich nach hat der KCDK-E den „Aufbau freundschaftlicher Beziehungen zwischen den eingewanderten Gemeinschaften und Institutionen innerhalb der gemeinsamen gesellschaftlichen Strukturen Europas und der kurdischen Gesellschaft und Institutionen” zum Ziel. Zentral ist hierbei der Einsatz für eine multikulturelle Gesellschaft, unter dem Aspekt des Schutzes, der Entwicklung und der Anerkennung der eigenen Kultur und Identität der kurdischen Gesellschaft. Zu diesem Zweck entwickelt der Dachverband freundschaftliche Dialoge mit Organisationen anderer Gemeinschaften auf europäischer Ebene, mit allen kurdischen (Menschen aus Kurdistan) und europäischen politischen Parteien, demokratischen Organisationen, Institutionen, Plattformen, Initiativen und Einzelpersonen, die sich für die Lösung gesellschaftlicher Probleme einsetzen, Toleranz und Frieden dauerhaft machen, universelle demokratische Werte übernehmen und unterstützen.
Titelfoto: Josef B. Preiselbauer | CC BY-NC-ND 3.0