Nach Verbot: KCDK-E hält Freiluft-Kongress ab

In Köln ist mit einer Kundgebung gegen das Verbot des Kongresses des kurdischen Europadachverbands KCDK-E protestiert worden. Da genügend Mitglieder anwesend waren, wurden die Vorstandswahlen kurzerhand Open-Air abgehalten.

Mit einem massiven Polizeiaufgebot sahen sich am Sonntag etwa 250 Teilnehmer:innen der Kundgebung gegen das Verbot des Kongresses des kurdischen Europadachverbands KCDK-E in Köln konfrontiert. Mindestens genauso viele Beamte der Bereitschaftspolizei und ziviler Unterstützungskräfte und weit mehr als sechzig Mannschaftswagen hatten sich am Bahnhofsvorplatz im rechtsrheinischen Deutz offenbar zur Machtdemonstration postiert. Weitere Polizeifahrzeuge waren an den Zufahrtsstraßen aufgefahren, Beamt:innen führten an einigen Punkten Personenkontrollen durch. Die Anwesenden blieben allerdings unbeeindruckt.

Koç: Deutsche Behörden sollen sich an Grundgesetz halten

Als erster sprach der kurdische Politiker Yüksel Koç, der Ko-Vorsitzender des KCDK-E ist, auf der Kundgebung mit dem Titel„Gegen die Kriminalisierung der kurdisch-demokratischen Gesellschaft Kurdistans in Europa“. Koç leitete seine Rede mit Artikel 1 des deutschen Grundgesetzes ein: „Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.“ Anschließend wies der 57-Jährige auf das im Grundrecht verankerte Recht auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit hin. „Es stellt sich für uns die Frage, ob die Bundesregierung verhindern möchte, dass sich Kurdinnen und Kurden organisieren. Der Europarat spricht ständig von Freiheit und Demokratie. Es sind die Menschen in Kurdistan, die diese Werte im Nahen Osten verteidigen. Warum unterstützt Deutschland das kurdische Volk nicht? Sind die Kurdinnen und Kurden etwa von den Grundrechten ausgeschlossen?“ Koç forderte die deutschen Behörden auf, sich an das Grundgesetz zu halten.

Polizei soweit das Auge reicht auf dem Ottoplatz in Deutz

Internationale Gäste protestieren gegen Konferenzverbot

Jeder sollte wissen, dass sich das kurdische Volk nicht von seinem legitimen Widerstand um Freiheit und Selbstbestimmung abbringen lassen werde. Trotz des Verbots der Konferenz hätten sich zahlreiche Menschen in die Rhein-Metropole begeben, um Solidarität mit dem Verband und damit der kurdischen Gesellschaft zu zeigen, führte der Politiker weiter aus. Unter ihnen seien zahlreiche Vertreter:innen kurdischer und türkeistämmiger Organisationen als auch geladene Gäste des Kongresses. Mit dabei waren unter anderem der schwedische Politiker Benny Gustavsson, der Vorsitzender der fraktionsübergreifenden Kurdistan-Solidaritätsgruppe im schwedischen Parlament ist, die italienische Lehrerin Silvana Barbieri und der ehemalige italienische Senator und Europaabgeordnete Luigi Vinci, der es sich mit seinen 82 Jahren ebenfalls nicht nehmen ließ, an der Kundgebung teilzunehmen.

„Hier wird Politik à la Erdogan betrieben“

Fatoş Göksungur, die weibliche Hälfte der genderparitätischen Doppelspitze des KCDK-E, erklärte, dass dem Dachverband 409 Vereine aus ganz Europa angehörten, die mehr als drei Millionen Mitglieder zählten. „Dass wir unsere Erklärungen dennoch in einem Polizeikessel abgeben müssen, liest sich für uns als Unterstützung für die antikurdische Politik des Erdogan-Regimes.“ Zübeyde Zümrüt als Ko-Vorsitzende des deutschen Dachverbands KON-MED erklärte, dass es genau dieses Bild gewesen sei, das sie ins Exil nach Deutschland trieb. „Leider muss ich feststellen, dass zwischen den antikurdischen Maßnahmen in der Türkei und jenen in Deutschland kaum noch Unterschiede bestehen. Hier wird Politik à la Erdogan betrieben.“

Ertuğrul Kürkçü: Deutschland steuert in eine unglückliche Situation

Der HDP-Ehrenvorsitzende Ertuğrul Kürkçü, der auch Mitglied des Beirats der Progressiven Internationalen (PI) ist, warnte davor, dass Deutschland „geradewegs in eine unglückliche Situation“ steuere, die gleichlaufend mit der Lage in der „autokratisch regierten Türkei“ sei. Aktuelles Beispiel sei die Tatsache, dass die selbst vom deutschen Verfassungsschutz als „rechtsextremistisch“ bezeichnete Partei „Der III. Weg“ Kandidat:innen für die Bundestagswahl aufstellen kann, die Kommunist:innen von der DKP dagegen, denen wegen fadenscheinigen Begründungen der Verlust des Rechtsstatus als Partei droht, vermutlich nicht. Mit Blick darauf sei die Erklärung des Europäischen Parlaments zum drohenden HDP-Verbot umso bedeutender. „Leider müssen wir feststellen, dass es die Staaten und Regierungen kalt lässt, wenn die Abgeordneten des EU-Parlaments ein Parteiverbot als schwerwiegenden politischen Fehler einordnen“, so Kürkçü.

Neue Vorstandswahlen Open-Air

Weitere Redebeiträge und Solidaritätsbekundungen gab es unter anderem von Daniel Riazat (Mitglied des schwedischen Reichstages), Peter Weispfenning (ICOR), Goran Babaali (Gorran-Bewegung), Huseyin Mirani (YNK), dem kurdischen Exil-Politiker Hatip Dicle und den früheren HDP-Abgeordneten Nursel Aydoğan, Ahmet Yıldırım und Lezgin Botan. Im Anschluss wurde die Kundgebung in einen Freiluft-Kongress des KCDK-E umgewandelt. Der Vorstand erklärte, es seien ausreichend Mitglieder anwesend, um Wahlen durchzuführen. Yüksel Koç und Fatoş Göksungur wurden als Ko-Vorsitzende wiedergewählt. Den restlichen Vorstand bilden fortan Zübeyde Zümrüt und Engin Sever (beide KON-MED), Nadiy Salih, Hamit Biten, Nursel Aydoğan, Murat Ceylan sowie Ahmet Kobani. Ins Aufsichtsgremium wurden Ismail Parmaksız, Cuma Isviçre und Vedat Bingöl gewählt.