Bundesregierung warnt vor Einfluss „Grauer Wölfe“

Laut der Bundesregierung versuchen „Graue Wölfe“ verstärkt Einfluss auf die öffentliche und politische Meinungsbildung in Deutschland zu nehmen. Ein Schwerpunkt liege in der Lokalpolitik.

Türkische Rechtsextremisten versuchen verstärkt Einfluss auf die öffentliche und politische Meinungsbildung in Deutschland zu nehmen. Zu dieser Einschätzung kommt die Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der FDP-Bundestagsfraktion, wie die Welt berichtet. Demnach seien Teile der Anhängerschaft bemüht, „über die Nähe zu politischen Entscheidungsträgern und Parteien Einfluss auf den politischen Druck innerhalb der deutschen Mehrheitsgesellschaft zu nehmen“.

Insbesondere in der Lokalpolitik versuchen demnach Teile der türkisch-rechtsextremen Szene, „etablierte interkulturelle Gesprächsformate zu besetzen“. Dem Zeitungsbericht zufolge liegen der Bundesregierung Erkenntnisse über die Kandidatur von Personen aus dem Umfeld des türkischen Rechtsextremismus bei den Kommunal- und Integrationswahlen in Nordrhein-Westfalen im vergangenen September vor. Der Aufbau und Erhalt von parteipolitischen Kontakten auf lokaler, Landes- oder Bundesebene diene auch dem Zweck, „Akzeptanz- und Reputationsgewinne zu erzielen“, heißt es weiter.  

Erstmals ordnet die Bundesregierung den türkischen Geheimdienst-Thinktank SETA („Stiftung für politische wirtschaftliche und gesellschaftlich Forschung“), der seit 2017 ein Büro in Berlin unterhält, klar dem Umfeld der Erdoğan-Partei AKP zu. SETA werde dafür genutzt, „die Standpunkte der gegenwärtigen türkischen Regierung in deutscher Sprache unter dem Label Wissenschaft und Forschung zu veröffentlichen“. Es bestünden auch personelle Verbindungen zur türkischen Regierung.

Ausländische Medienschaffende von SETA diffamiert

Im Jahr 2019 sorgte eine Studie von SETA für Empörung, in der Journalistinnen und Journalisten von in der Türkei aktiven Auslandssendern gelistet wurden. Reporter ohne Grenzen kritisierte damals: „SETA muss sich klar sein, dass sie die Verantwortung tragen, falls die im Bericht erwähnten Kollegen angegriffen werden sollten.“ Der Berliner Büroleiter der Organisation, Zafer Meşe, ist kein Unbekannter: Nach Recherchen von Deutsche Welle arbeitete er zuvor acht Jahre lang als wissenschaftlicher Mitarbeiter für die CDU/CSU-Bundestagsfraktion mit einem Fokus auf außen- und sicherheitspolitische Themen.

Auch die „Islamische Gemeinschaft Millî Görüş e.V.“ (IGMG) versuche als Ansprechpartner für Politik und Gesellschaft zu fungieren. „Über den von ihr dominierten ‚Islamrat für die Bundesrepublik Deutschland e. V.‘ ist sie indirekt auf der ‚Deutschen Islamkonferenz‘ vertreten“, heißt es in der Antwort der Bundesregierung.

Thomae: Strategie um Einfluss auf die Innenpolitik in Deutschland

FDP-Fraktionsvize Stephan Thomae begrüßte gegenüber der Welt die zunehmende Deutlichkeit der Bundesregierung. „In der Vergangenheit war die Bundesregierung noch wesentlich zurückhaltender und diplomatischer. Man gewinnt bei Lektüre der Antwort auf unsere Kleine Anfrage den Eindruck, als sei die Geduld der Bundesregierung mit der Türkei allmählich am Ende“. Thomae beobachte eine „Strategie türkischer staatlicher Stellen, mithilfe eines immer dichteren Netzwerkes staatlich gesteuerter religiöser und gesellschaftlicher Organisationen durch Spionage, Einschüchterung und Beeinflussung Deutschland zum Austragungsort türkischer Innenpolitik zu machen, oder gar Einfluss auf die Innenpolitik in Deutschland zu nehmen“.

Welche Konsequenz wird gezogen?

Fragt sich nur, welche Konsequenzen daraus gezogen werden. Im November hatte der Bundestag nahezu einstimmig einem Antrag zugestimmt, ein Verbot der in Vereinen organisierten „Grauen Wölfe“ zu prüfen. Sie seien rassistisch, antisemitisch und demokratiefeindlich und bedrohen die innere Sicherheit in Deutschland, hieß es zur Begründung in dem gemeinsamen Antrag von CDU, SPD, Grünen und FDP. Doch anders als Frankreich, wo die Organisation verboten wurde mit der Begründung, ihre Anhänger schürten Diskriminierung und Hass und seien an Gewaltaktionen beteiligt, wird Deutschland die türkischen Rechtsextremisten vorerst nicht verbieten. Sicherheitskreise halten die juristischen Hürden hierzulande für ein solches Verbot für zu hoch. Auch in Österreich hatte es zuletzt gewalttätige Attacken von „Grauen Wölfen“ auf kurdische und linke Demonstationen sowie Journalist*innen gegeben.