Der aserbaidschanisch-türkische Angriffskrieg auf die vorwiegend armenisch besiedelte Republik Arzach (Bergkarabach) war begleitet von panturkistisch-turanistischer Hetze und Drohungen gegen Armenier*innen. Das Anstacheln von Rassismus und Nationalismus stellte für das AKP/MHP-Regime kein Nebenprodukt des Krieges dar, sondern war eines seiner Ziele. Diese Politik ist nicht nur auf die Türkei reduziert. Die vom türkischen MIT kontrollierten sogenannten „Grauen Wölfe“ haben seit Beginn des Angriffs auf Arzach damit begonnen, systematisch armenische Familien in Deutschland zu bedrohen. Dabei werden Nachrichten mit Morddrohungen sogar an Kinder verschickt.
In einem offenen Brief appelliert der armenische Bischof Serovpe Isakhanyan an den NRW-Innenminister von Nordrhein Westfalen Herbert Reul (CDU). In dem Brief heißt es: „ Die ultranationalistischen türkisch-aserbaidschanischen Kreise versuchen, diese kriegerischen Eskalationen zum Anlass zu nehmen, den Konflikt auch nach Europa zu übertragen, indem sie auf den sozialen Netzwerken antiarmenische Hetzkampagnen führen und ihre Anhänger und Sympathisanten gegen die hiesigen Armenier aufhetzen.“
Es gab bereits Angriffe auf Armenier*innen
Konkret zu den Drohungen schreibt Isakhanyan: „Nun bin ich von einigen unseren Geistlichen und von mehreren Gemeindemitgliedern darüber informiert worden, dass die ‚Grauen Wölfe‘ Drohbriefe in die Briefkästen armenischer Bürger einwerfen. Die Androhungen dieser gewaltbereiten und ultranationalistischen Gruppierung, die allgemein eine faschistische, antisemitische und anti-christliche Ideologie verfolgt, nehmen wir, angesichts der aktuellen Situation besonders ernst und sind als armenische Kirche und Gemeinschaft äußerst besorgt. In einigen europäischen Ländern gab es bereits Angriffe auf Armenier und Bedrohungen durch die Grauen Wölfe und es kam zu Schändungen armenischer Denkmäler.“
In den Drohschreiben heißt es nach Angaben der Tageszeitung „Welt“: „Wir stehen zu unseren Brüdern aus Aserbaidschan und wir werden nicht zulassen, dass ungläubige Hunde Armeniens in Deutschland in Frieden leben“ oder „Wir kennen euch, wir wissen, wo eure Kinder sind, Tag und Nacht.“
Konzerte rassistische Aktion
Woher die Faschisten die Adresse haben, ist im Moment Gegenstand von Ermittlungen. Es scheint sich aber um eine bundesweit konzertierte Aktion zu handeln. Mitglieder des Jugendverbands der Armenier in Deutschland berichten, dass sie immer wieder seit Kriegsbeginn angerufen und mit Worten wie: „Wir werden euch finden“ bedroht werden.
Der Rechtsanwalt Ilias Uyar erklärt der Presse gegenüber: „Da es sich bundesweit um dieselben Drohbriefe handelt und die armenischen Aktivisten in Köln sowie in Berlin von derselben Nummer angerufen wurden, hat der Tatbestand eine ganz andere kriminelle Energie. Es handelt sich hierbei um eine gezielt rassistische Aktion.“
Serie faschistischer Attacken auf Armenier*innen in Deutschland und Frankreich
Die Kirche fordert ein entsprechendes Vorgehen der Behörden zum Schutz der armenischen Einrichtungen. Auch in Deutschland ist es bereits zu Angriffen auf armenische Einrichtungen gekommen. So wurde unter anderem ein Dienstwagen der armenischen Botschaft in Brand gesteckt. Die Polizei geht von einem „Zusammenhang mit dem Konflikt zwischen Aserbaidschan und Armenien“ aus. Die Taz berichtete außerdem von einem Angriff auf eine armenische Shisha-Bar in Köln-Mühlheim. Das vom türkischen Regime geschürte Hassklima eskaliert immer weiter. Am 5. November wurden Mitglieder der armenischen Gemeinde von türkischen Faschisten bedroht bedroht, dass ein Friedensgebet nur unter massivem Polizeischutz stattfinden konnte. In Frankreich kam es zu ähnlichen Übergriffen. Unter anderem fand am 29. Oktober in Dijon eine Hetzjagd von türkischen Faschisten auf vermeintliche Armenier*innen statt und das armenische Völkermord Mahnmal in Décines wurde mit Erdoğan-Schriftzügen geschändet.
Verbot der „Grauen Wölfe“ in Deutschland?
Der Bundestag hatte am 18. November einem interfraktionellen Antrag von CDU/CSU, SPD, FDP und den Grünen zur Prüfung eines Verbots der „Grauen Wölfe“ zugestimmt. Betroffen davon seien die sogenannten „Ülkücü“-Vereine. Allerdings handelt es sich bei den „Grauen Wölfen“ um ein weit verflochtenes Netzwerk, so dass Zweifel bestehen, inwiefern ein Verbot mehr als ein kosmetisches Vorgehen gegen den türkischen Faschismus darstelle. Die französische Regierung hatte die „Grauen Wölfe“ bereits Anfang November verbieten lassen.