Erster Jahrestag: Proteste gegen den Anschlag von Paris

Auf Demonstrationen in verschiedenen Ländern haben Menschen die Aufklärung des Anschlags auf das kurdische Kulturzentrum in Paris vor einem Jahr und Gerechtigkeit für die Opfer gefordert.

Parallel zu einer Großdemonstration in der französischen Hauptstand fanden am Sonnabend auch in anderen Orten rund um den Globus Proteste gegen den tödlichen Anschlag auf das kurdische Ahmet-Kaya-Kulturzentrum in Paris statt, bei dem am 23. Dezember 2022 drei Menschen von einem Franzosen ermordet und drei weitere verletzt worden sind. Bei den Aktionen wurde der drei Todesopfer Evîn Goyî (Emine Kara), Mîr Perwer (Mehmet Şirin Aydın) und Abdurrahman Kızıl gedacht und die restlose Aufklärung des bewaffneten Angriffs gefordert.

Demonstration in Hamburg

In Hamburg fand eine Demonstration durch das Schanzenviertel statt, die vom Frauenrat Rojbîn organisiert wurde. Neben Kurdinnen und Kurden beteiligten sich auch viele Aktive internationalistischer, antirassistischer und feministischer Strukturen, Aktivistinnen der kurdischen Frauenräte in Kiel, Bremen und Aurich unterstützten den Protestzug ebenfalls. Die Demonstration startete vor dem Autonomen Zentrum Rote Flora. Zuvor wurde eine Schweigeminute für die Ermordeten gehalten.

Die Hamburger Ethnologin und Buchautorin Anja Flach bezeichnete den Angriff in einer Ansprache als gezielten Anschlag auf Kurdinnen und Kurden und machte deutlich, dass die von französischen Behörden aufgestellte These von einem rassistischen Einzeltäter keine Grundlage habe. Sie wies darauf hin, dass der Anschlag zehn Jahre nach dem politischen Attentat auf Sakine Cansız, Fidan Doğan und Leyla Şaylemez stattgefunden hat und dieses Massaker bis heute von Frankreich als Staatsgeheimnis behandelt wird. Die Vertuschung der Hintergründe des ersten Massakers durch den französischen Staat habe den zweiten Anschlag erst möglich gemacht, kritisierte Flach.

Auch die Ko-Vorsitzende der Hamburger Linksfraktion, Cansu Özdemir, war unter den Demonstrierenden. Europa würde die Anwendbarkeit von Mechanismen der opferorientierten Justiz ausschließen, wenn es um Gerechtigkeit für Kurdinnen und Kurden gehe, sagte die Ko-Vorsitzende der Linksfraktion in der Hamburgischen Bürgerschaft. Sie forderte, die wahren Hintergründe des Mordanschlags von Paris aufzudecken und nicht nur den Täter, sondern auch seine Hintermänner zur Rechenschaft zu ziehen.


Ihren Abschluss fand die Demonstration in der Nähe der Untersuchungshaftanstalt Holstenglacis, etwa 1,6 Kilometer von der Roten Flora entfernt. Hier sitzt der in Hamburg wegen angeblicher PKK-Mitgliedschaft angeklagte kurdische Politiker und Aktivist Kenan Ayaz seit seiner Ausweisung aus Zypern Anfang Juni unter verschärften Haftbedingungen in Untersuchungshaft. 2007 wurde auch Sakine „Sara“ Cansız in der JVA Hamburg festgehalten – auf Grundlage eines türkischen Auslieferungsgesuches. Nach heftigen Protesten der kurdischen Community wurde die Revolutionärin bereits wenige Wochen wieder entlassen.

Demonstration in Zürich

Gedenkfeier in London

Die kurdische Gemeinde in London hatte zu einer Gedenkfeier in ihren Räumlichkeiten in Haringey eingeladen, um Evîn Goyî, Mîr Perwer und Abdurrahman Kızıl, aber auch auf Sakine Cansız, Fidan Doğan und Leyla Şaylemez zu gedenken.


Trauermarsch in Kobanê

Auf einer Demonstration in der nordsyrischen Kantonshauptstadt Kobanê wurde der internationalen Staatengemeinschaft vorgeworfen, Massaker am kurdischen Volk zu tolerieren. „Es finden dauerhafte Menschenrechtsverletzungen an Kurdinnen und Kurden statt, der türkische Staat und andere Kräfte sind in einem totalen und vielschichtigen Krieg gegen unsere Bevölkerung“, sagte die PYD-Politikerin Sara Xelîl. Doch weltweit herrsche Ignoranz dagegen. „Wer aber schweigt, macht sich mitschuldig“, betonte Xelîl.


Weitere Demonstrationen und Protestaktionen fanden unter anderem auch in anderen Orten der Autonomieregion Nord- und Ostsyrien, im südkurdischen Flüchtlingslager Mexmûr und verschiedenen Städten Frankreichs, Deutschlands, Österreichs und der Schweiz statt.