Neue Initiative kurdischer Frauen in Europa: „Einheit ist unser Widerstand“
Am 12. Mai, dem 51. Jahrestag der Hinrichtung der kurdischen Aktivistin Leyla Qasim im Irak, haben kurdische Frauen in Köln die „Initiative für die nationale Einheit der kurdischen Frauen in Europa“ gegründet. Die Initiative versteht sich als überparteiliche, basisdemokratische Plattform zur Stärkung der Frauenorganisierung in der kurdischen Diaspora. Sprecherin Şilan Eminoğlu betonte im Gespräch mit ANF die Notwendigkeit einer eigenständigen Struktur kurdischer Frauen – unabhängig von Parteien, Ideologien oder Herkunft.
„Offen für alle Frauen, die ihre Identität verteidigen“
Eminoğlu hob hervor, dass sich die Initiative an alle Frauen richtet, „die ihre Identität, Sprache und Freiheit verteidigen, ungeachtet von Herkunft, Glaube, Hautfarbe oder politischer Zugehörigkeit“. Die Initiative sei nicht Teil einer Partei, sondern ein eigenständiges Projekt von Frauen für Frauen.
Frauen in der Diaspora besonders betroffen
Insbesondere Frauen in Europa seien doppelt von Entwurzelung betroffen – durch die patriarchalen Strukturen in der Gesellschaft einerseits, und durch die Entfremdung von Sprache und Kultur andererseits. „Wir sind gezwungen, mit den Auswirkungen des Patriarchats ebenso zu kämpfen wie mit der Distanz zu unseren kulturellen Wurzeln“, erklärte Eminoğlu.
Rückbesinnung auf Selbstorganisation
Bereits in der Vergangenheit habe es Versuche gegeben, kurdische Frauen europaweit zu organisieren. Viele davon seien jedoch durch parteipolitische oder ideologische Spannungen gescheitert. „Jetzt ist die Zeit, diese Hindernisse hinter uns zu lassen. Wir wollen Probleme solidarisch selbst lösen“, sagte Eminoğlu. Der Widerstand und die Opfer früherer Generationen seien dabei Antrieb und Verpflichtung zugleich.
Öcalans Aufruf als Impuls für neue Phase
Besonderen Bezug nahm Eminoğlu auf den am 27. Februar veröffentlichten „Aufruf für Frieden und eine demokratische Gesellschaft“ des auf der türkischen Gefängnisinsel Imrali inhaftierten kurdischen Vordenkers Abdullah Öcalan. Dieser eröffne auch für Frauen eine neue politische Perspektive. „Frauen sollen nicht nur mitkämpfen – sie sollen den Wandel anführen“, so Eminoğlu.
Ein Konföderalismus der Frauen als Ziel
Langfristig verfolgt die Initiative die Schaffung einer föderalen Struktur für kurdische Frauen – einen „Konföderalismus der Frauen“. „Das ist nicht etwas, das ich im Namen aller proklamiere. Aber es könnte ein gemeinsames Ziel sein, auf das wir uns in einem kollektiven Prozess verständigen“, so die Sprecherin. Entscheidungen sollen basisdemokratisch gefällt werden.
Plattformübergreifende Zusammenarbeit und Dachstruktur
Geplant sind ein überregionaler Frauenkongress, Arbeitsgruppen zu Sprache, Kultur, Gesundheit und Bildung sowie die Vernetzung mit Initiativen in allen vier Teilen Kurdistans. Auch Kulturschaffende, Ärztinnen und Aktivistinnen verschiedener Hintergründe sollen eingebunden werden. „Niemandem soll ein festes Modell vorgelegt werden. Wir wollen bedarfsgerecht, offen und dialogisch arbeiten“, betonte Eminoğlu.
Aufruf zur Organisierung: „Widerstand beginnt mit Einheit“
Abschließend rief sie alle Frauen dazu auf, sich dem Aufbau der Bewegung anzuschließen: „In Kriegen kämpfen Frauen – aber wenn der Frieden kommt, sollen sie zurück in die Küche? Nicht mit uns. Die Paradigmen, die Öcalan für eine freie Gesellschaft entworfen hat, fordern uns geradezu heraus, diese Kämpfe weiterzutragen. Es liegt an uns, diese Bewegung zu stärken – denn überall, wo Frauen wirken, entstehen Räume für Freiheit und Demokratie.“