Drei junge deutsch-kurdische Frauen brechen mit Tabus, sprechen über Schmerz, Identität und Heilung – und schaffen mit ihrem Podcast Zêr Talk einen Raum, den sie selbst nie hatten. Mit der Parole „Wir sprechen über das, worüber sonst geschwiegen wird“ führen die Gründerinnen des Podcasts „Zêr Talk“, Delal, Jiyan und Roze ein Gespräch zum Heilen.
Ein goldener Faden zieht sich durch die Gespräche der drei jungen Frauen Delal, Jiyan und Roze – ein Faden aus Herkunft, Wut, Wärme, Mut und Schmerz. Mit Zêr Talk wollen sie ein Licht werfen auf Geschichten, die oft im Schatten bleiben. Es geht um Identität, um den Spagat zwischen zwei Kulturen, um das Frausein im Spannungsfeld von Loyalität und Selbstbestimmung.
Roze: „Zêr Talk ist aus einer Zeit entstanden, in der wir alle ziemlich am Boden waren. Unsere Gespräche haben gezeigt: Wir tragen dieselben Wunden. Also wollten wir einen Ort schaffen, an dem man sich wiederfindet – ohne sich erklären zu müssen.“
Ein Podcast, geboren aus Schmerz – und Hoffnung
Zêr bedeutet auf Kurdisch „Gold“. Und dieser Name ist Programm. „Etwas Echtes, Reines, Wertvolles“, sagt Delal. Kombiniert mit „Talk“ wird daraus ein bewusst gesetztes Zeichen: „Unsere Wurzeln sind sichtbar – und hörbar.“
Delal: „Wir wollten auffallen – aber mit Würde. Uns selbst einen Raum schaffen, den wir nie hatten.“
Dass Zêr Talk mehr ist als ein Podcast, wird in jedem Satz der drei Frauen spürbar. Es ist Therapie, Revolte und Selbstermächtigung zugleich.
Jiyan: „Wir brechen Tabus – nicht um zu provozieren, sondern um zu heilen.“
Zwischen Herkunft und Selbstverwirklichung
Was bedeutet es, als kurdische Frau in Deutschland aufzuwachsen? Wie lebt es sich zwischen tief verankerten familiären Werten und dem Drang, frei zu sein?
Roze: „Wir schweigen doppelt – einmal als Frauen in patriarchalen Strukturen, und dann nochmal als Kurd:innen, deren Existenz oft unsichtbar gemacht wird.“
Ihre Gespräche sind roh, zart und oft schmerzhaft ehrlich. Sie sprechen über Missbrauch, psychische Erkrankungen, Intimität, über den Druck der Familie und die Scham, die oft alles überdeckt.
Delal: „Solche Themen machen verletzlich. Aber genau deshalb sind sie wichtig.“
Ein kollektiver Seelenraum
Die drei Frauen kennen sich aus dem Studium, aus der Familie, aus dem Leben. Was als spontanes Treffen begann, wurde zu einer tiefen Verbindung.
Jiyan: „Unser erstes Gespräch war kein Small Talk – wir sind sofort tief gegangen. Es war, als hätten wir uns schon ewig gekannt.“
Und genau diese Tiefe ist es, die Zêr Talk auszeichnet. Die Themen entstehen aus dem eigenen Erleben, aus inneren Kämpfen und geteilten Erfahrungen. Sie wollen sichtbar machen, was sonst verborgen bleibt.
Roze: „Manchmal reicht ein Gedanke – und wir wissen: Das ist eine Folge wert.“
„Das Private ist politisch“
Für Jiyan ist klar: Über das Innere zu sprechen, heißt auch, das Äußere zu verstehen: „Unsere Innenwelt ist nicht isoliert – sie ist geprägt von Herkunft, Systemen, Geschichte. Wer sich selbst versteht, kann auch die Gesellschaft besser begreifen.“
Ihre kurdische Identität durchdringt alles – auch ihre Sicht auf Liebe und Familie. Die Erwartungen sind hoch, der innere Zwiespalt oft groß.
Roze: „Es ist ein Tanz zwischen Nähe und Pflicht, zwischen Tradition und Selbstbestimmung.“
Ein feministisches Projekt in Eigenregie
Zêr Talk ist DIY – jede Folge ein Gemeinschaftswerk, vom Konzept bis zum Schnitt. Die erste Folge soll bald auf Spotify erscheinen. Auf Instagram und TikTok gibt es schon jetzt Einblicke.
Delal: „Wir machen alles zu dritt. Es ist ein echtes Teamprojekt.“
Und Unterstützung? Die wünschen sie sich nicht nur technisch, sondern vor allem ideell ergänzt Delal: „Teilt unsere Folgen. Redet über das, was wir sagen. Das ist der größte Support.“
Kinder der Sonne – mit Schatten im Gepäck
„Kinder der Sonne“ – so bezeichnen sich die drei selbst. Ein poetischer Ausdruck für Widerstandskraft und Hoffnung. Roze sagt dazu: „Auch wenn wir aus dem Schatten kommen – wir tragen das Licht in uns. Wir leuchten, weil wir trotz allem an das Licht glauben.“
Und genau dieses Licht wollen sie weitergeben. An kurdische Frauen. An alle, die sich zerrissen fühlen. An alle, die nicht mehr schweigen wollen. Jiyan lädt ein: „Zêr Talk ist für Menschen, die ehrlich hinschauen wollen. Die bereit sind, Fragen zu stellen, auch wenn sie keine Antworten haben.“
Drei Seelen, ein Podcast
Vielleicht bringt Jiyan es mit einem Zitat aus Goethes Faust am besten auf den Punkt: „Zwei Seelen wohnen, ach! in meiner Brust…“ Genau zwischen diesen zwei Seelen – zwischen Herkunft und Zukunft, zwischen Schmerz und Stärke – findet Zêr Talk seine Stimme. Und schenkt vielen anderen damit eine.