Kurdische Zivilgesellschaft und Politik diskutieren Zukunft Syriens
Mit einem Appell zur politischen Einheit und zu verfassungsrechtlichen Reformen ist der Workshop „Kurdische Einheit: Wege zur Stärkung und Perspektiven für die Zukunft“ in der nordostsyrischen Stadt Qamişlo am Dienstagabend zu Ende gegangen. Die vom Forschungszentrum Firat organisierte Veranstaltung versammelte Vertreter:innen aus Politik, Wissenschaft, Medien und Zivilgesellschaft, um zentrale Fragen zur Rolle der Kurd:innen in Syrien und zur strategischen Bedeutung eines gemeinsamen politischen Handelns zu diskutieren.
An dem Workshop nahmen unter anderem Vertreter:innen der Demokratischen Selbstverwaltung von Nord- und Ostsyrien (DAANES), des Demokratischen Syrienrats (MSD) sowie nahezu aller politischen Parteien in Rojava teil. Auch Künstler:innen, Autor:innen und Journalist:innen waren vertreten.

Fokus auf Geschichte, Einheit und politische Perspektiven
Bereits in der Auftaktsitzung betonten Sprecher wie Faris Osman (Kurdische Demokratische Fortschrittspartei) und Mihemed Ismaîl (ENKS), dass eine stabile Zukunft Syriens nicht ohne die politische Lösung der kurdischen Frage denkbar sei.
Osman erinnerte an die Marginalisierung der Kurd:innen seit 1932 und ihre Rolle im Aufstand gegen das Baath-Regime 2004 sowie im syrischen Umbruch ab 2011. Ismaîl unterstrich: „Ohne eine Lösung der kurdischen Frage wird es in Syrien keinen nachhaltigen Frieden geben.“
Der Politikwissenschaftler Çinar Salih wies darauf hin, dass der Begriff „Einheit“ häufig nur dann aufkomme, wenn Spaltung drohe. Dabei sei das Thema in der Bevölkerung tief verankert und dürfe nicht auf Parteiebene verengt werden.
Kritik, Selbstreflexion und Forderungen nach Verfassungsreformen
In einem zweiten Panel wurde insbesondere die inhaltliche Tiefe der Dokumente der Ende April ebenfalls in Qamişlo ausgerichteten Kurdistan-Konferenz diskutiert. Fadil Mihemed vom Forschungszentrum Firat monierte fehlende Präzisierungen zu Staatsstruktur und Regierungsform.
Nûra Xelîl von der Organisation Şemis forderte mehr Raum für zivilgesellschaftliche Beteiligung und betonte die Rolle von Jugendlichen und Frauen in der politischen Erneuerung.
Mesûd Hamid vom kurdischen Mediennetzwerk Nûdem plädierte für bessere Öffentlichkeitsarbeit, um Inhalte und Relevanz der Konferenz breiter zu kommunizieren.
Verfassung, Föderalismus und neue Staatsmodelle
Im dritten Abschnitt des Workshops stand die verfassungsrechtliche Verankerung der kurdischen Rechte in Syrien im Zentrum. Hesen Mihemed Elî vom MSD verwies auf die Konferenzdokumente, die 16 Punkte zur Zukunft Syriens und elf Punkte speziell zu kurdischen Anliegen enthalten. Er sprach von einem Anspruch der Konferenz, die Rolle eines „nationalen Forums“ für ganz Syrien zu übernehmen.

Mihemed Şewqî Mihemed, Ko-Vorsitzender des Wirtschaftsrats der Autonomieverwaltung, kritisierte das zentralistische Modell der Assad-Ära und plädierte für ein dezentrales, demokratisches Regierungssystem: „Ein föderales Modell bietet die besten Voraussetzungen für ökonomische und politische Teilhabe.“
Rechtsanwalt Musa Musa forderte den Aufbau einer konstitutionellen Ordnung mit klaren Zuständigkeiten: „Wir brauchen eine echte Verfassung, ein Parlament und ein Verfassungsgericht – nicht bloß Beschlüsse ohne Bindung.“
Abschluss mit Appell an gemeinsamen Weg
Der Workshop endete mit der symbolischen Übergabe von Dankesurkunden an die Teilnehmenden – und einem Aufruf zu kontinuierlichem Dialog und politischer Verantwortung gegenüber der kurdischen Bevölkerung und der Zukunft Syriens insgesamt.