Internationale Vermittlung im Friedensprozess mit der Türkei
Auf der 23. Generalversammlung des Nationalkongress Kurdistan (KNK) haben Delegierte aus allen vier Teilen Kurdistans sowie der Diaspora eine gemeinsame Erklärung verabschiedet. Im Mittelpunkt der andauernden Beratungen stehen die Förderung nationaler Einheit, die Unterstützung demokratischer Lösungsansätze sowie die Analyse der politischen Lage in der Region.
An der Versammlung nehmen Vertreter:innen zahlreicher politischer Parteien, zivilgesellschaftlicher Organisationen und Einzelpersonen teil. Wie der KNK betonte, sei die Tagung vor dem Hintergrund regionaler Umbrüche und eines sich zuspitzenden Konfliktgeschehens in Nahost besonders bedeutsam. In der nun verabschiedeten Erklärung, die von Zübeyir Aydar, Mitglied im Exekutivrat der Gemeinschaft der Gesellschaften Kurdistans (KCK) verlesen wurde, sprachen sich die Teilnehmenden für eine enge Zusammenarbeit der kurdischen Kräfte aus – und forderten eine internationale Vermittlung im Friedensprozess mit der Türkei.
Unterstützung für Öcalans Friedensinitiative
Die Erklärung bezieht sich unter anderem auf den Friedensappell von Abdullah Öcalan vom 27. Februar, der aus der Haft auf der türkischen Gefängnisinsel Imrali zu Dialog und einer demokratischen Lösung der kurdischen Frage aufgerufen hatte. In Folge dessen kündigte die Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) bei ihrem 12. Kongress Anfang Mai an, ihre bewaffneten Aktivitäten einzustellen und sich künftig nicht mehr unter dem Namen PKK zu organisieren. Die Bewegung wolle den Konflikt ausschließlich auf politischem Wege lösen.
Die KNK-Generalversammlung würdigte sowohl Öcalans Appell als auch die Beschlüsse der PKK als „historisch“. Man begrüße die positive Resonanz aus der internationalen Gemeinschaft und forderte die türkische Regierung auf, den Dialogprozess zu unterstützen und „diese Chance nicht verstreichen zu lassen“. Der KNK rief zu einer Freilassung Öcalans, einem Stopp der türkischen Militärgewalt gegen die PKK-Guerilla – einschließlich Chemiewaffenangriffe – und der Einbindung des Parlaments in eine politische Lösung auf.
Forderung nach internationaler Vermittlung
Um dem Friedensprozess Glaubwürdigkeit und Stabilität zu verleihen, spricht sich der KNK für die Einsetzung einer unabhängigen, internationalen Vermittlungsinstanz aus. Eine dritte, unparteiische Kraft solle die Gespräche zwischen den Konfliktparteien beobachten und moderieren.
Analyse der Lage in Iran, Irak und Syrien
Neben Nordkurdistan beziehungsweise der Türkei befasste sich die Generalversammlung auch mit der Situation in den anderen Teilen Kurdistans:
Rojhilat/Iran: Die anhaltende Protestbewegung in Iran, ausgelöst durch den gewaltsamen Tod der Kurdin Jina Mahsa Amini, wurde als „legitimer Widerstand“ gewürdigt. Der KNK verurteilte die Repressionen des iranischen Regimes gegen Kurd:innen, Frauen und religiöse Minderheiten und sprach sich für eine breite internationale Unterstützung des demokratischen Wandels im Iran aus.
Başûr/Irak: Die politische Lage in der autonomen Kurdistan-Region des Irak (KRI) wird als instabil bewertet. Laut KNK gefährdet der fortgesetzte politische Stillstand in Hewlêr (Erbil) die föderalen Errungenschaften. Die Arabisierungspolitik in den „umstrittenen Gebieten“ – insbesondere in Bezug auf Artikel 140 der irakischen Verfassung – habe sich zuletzt verschärft.
Rojava/Syrien: Die Entwicklungen in Syrien wurden als besorgniserregend eingestuft. Der Zusammenbruch des Assad-Regimes habe ein Machtvakuum hinterlassen, das von islamistischen Kräften genutzt werde. Der KNK warnt vor der Ausweitung religiös motivierter Gewalt und ruft zur Stärkung säkular-demokratischer Kräfte in Rojava auf. Eine kürzlich abgehaltene Kurdistan-Konferenz in Rojava wurde positiv hervorgehoben.
Schlussfolgerung: Zeit für Einheit
Der KNK sieht die kurdische Nation in einer „kritischen, aber chancenreichen“ Phase. Der Wandel in der Region könne genutzt werden, um eine gemeinsame Zukunft für alle Kurd:innen zu gestalten – vorausgesetzt, es gelinge, eine umfassende nationale Einheit herzustellen. Daher erneuerte die Generalversammlung ihren Appell: „Lasst uns eine kurdische Nationalkonferenz einberufen – und unsere Kräfte bündeln.“