Konferenz in Athen: Selbstverwaltung als Modell für Frieden in Nahost

Die Athener Konferenz „Die kurdische Frage und Entwicklungen im Nahen Osten“ unterstrich die zentrale Rolle der kurdischen Bewegung im Ringen um Frieden, Gleichberechtigung und Demokratie in der Region.

Kotzias: Unterstützung für Kurd:innen ist Gebot der Stunde

Die in Athen am Sonnabend ausgerichtete Konferenz „Die kurdische Frage und Entwicklungen im Nahen Osten“ unterstrich die Notwendigkeit eines inklusiven, föderalen Modells für Syrien und die zentrale Rolle der kurdischen Bewegung im Ringen um Frieden, Gleichberechtigung und Demokratie im Nahen Osten. Neue Impulse für internationale Zusammenarbeit und die stärkere Einbindung zivilgesellschaftlicher Akteur:innen prägten die Ergebnisse der von hochrangigen Vertreter:innen der Demokratischen Selbstverwaltung Nord- und Ostsyriens (DAANES), internationalen Wissenschaftler:innen, Journalist:innen und Politiker:innen geführten Diskussionen.

Demokratische Vision für Syrien gefordert

Nachdem die vom Zentrum für Nahost- und Islamstudien ausgerichtete Konferenz am Vormittag mit harscher Kritik des Ko-Vorsitzenden der Partei der Demokratischen Union (PYD), Xerîb Hiso, an der Politik der selbsternannten Übergangsregierung in Syrien eröffnet wurde, ging es am Nachmittag mit drei Panels weiter. Zum Auftakt diskutierten die Teilnehmer:innen über die aktuelle Lage der Kurd:innen in Syrien.


Die Politologin Katia Zagoritou forderte eine neue politische Struktur auf Basis eines breiten nationalen Dialogs – insbesondere zwischen der kurdischen Bewegung, der syrischen Regierung und anderen gesellschaftlichen Gruppen. Andere Sprecher:innen kritisierten die Rolle der Türkei, die nach Ansicht von Antonis Deriziotis (Nationale und Kapodistrias-Universität Athen) durch Militärgewalt und Invasionen in Nordsyrien eine autoritäre Agenda verfolge.

Professor Sotiris Roussos (Universität Peloponnes) verwies auf das geopolitische Zusammenwirken sunnitisch dominierter Staaten wie der Türkei und Saudi-Arabien, die eine zentralisierte Ordnung in Syrien anstreben – mit möglichen Konsequenzen für ethnische und religiöse Minderheiten.

Kotzias: Unterstützung für Kurd:innen ist Gebot der Stunde

Im Anschluss sprach der ehemalige griechische Außenminister Nikos Kotzias und rief die internationale Gemeinschaft dazu auf, sich eindeutig an die Seite der Kurd:innen zu stellen: „Die Kurd:innen sind eine der wenigen säkularen Kräfte im Nahen Osten. Wer Demokratie will, muss sie unterstützen – ungeachtet möglicher Reaktionen aus Ankara.“


Im nächsten Panel betonte der Politikwissenschaftler Thomas Schmidinger (Universität Hewlêr) die Rolle Abdullah Öcalans in der Entwicklung der Autonomieverwaltung in Nord- und Ostsyrien. Die Verteidigung Kobanês habe die politische und militärische Handlungsfähigkeit der Kurd:innen unter Beweis gestellt, so Schmidinger. Journalisten wie Stavros Lygeros und Petros Papakonstantinou hoben hervor, dass die kurdische Bewegung trotz türkischer Repressionen bedeutende Fortschritte erzielt habe.

Ilham Ehmed: Selbstverwaltung ist der Schlüssel

Die Ko-Außenbeauftragte der DAANES, Ilham Ehmed, schilderte die aktuellen Herausforderungen in Syrien. Sie warnte vor einem möglichen Wiederaufflammen des Bürgerkriegs, insbesondere durch die Aktivitäten islamistischer Gruppen innerhalb der Dschihadistenkoalition „Hayat Tahrir al-Sham“ (HTS), die nun in Damaskus herrscht. Die zentrale Kontrolle durch die Übergangsregierung sei keine zukunftsfähige Lösung: „Syrien ist ein multikonfessionelles und multiethnisches Land. Eine gerechte Ordnung kann nur durch eine dezentrale, demokratische Selbstverwaltung garantiert werden.“


Ehmed forderte, dass die internationale Gemeinschaft die Selbstverwaltung in Nord- und Ostsyrien als legitime politische Akteurin anerkenne. Nur durch ein solches Modell ließen sich die Rechte aller Bevölkerungsgruppen schützen – insbesondere die der Frauen, die zunehmend Ziel islamistischer Unterdrückung seien.

Demokratische Selbstverwaltung als Modell für die Region

Im letzten Konferenzblock diskutierten Amy Austin Holmes (George Washington University), Kamal Chomani (Universität Leipzig) und Stavros Drakoularakos (Universität Nikosia) über regionale Machtverschiebungen. Holmes betonte die Rolle der Demokratischen Kräfte Syriens (QSD) beim Schutz von Zivilist:innen und die Bedeutung der Frauenwissenschaft Jineolojî. Chomani forderte eine strategische Neuausrichtung der kurdischen Organisationen, insbesondere angesichts der Protestbewegungen im Iran. Prof. Konstantinos Filis wies darauf hin, dass die ungelöste kurdische Frage die internationale Glaubwürdigkeit der Türkei untergrabe. Eine Lösung sei ohne Einbindung Abdullah Öcalans nicht denkbar.


Abschlussrede von Sema Begdaş

Die abschließenden Worte sprach Sema Begdaş, Ko-Vorsitzende des Diplomatie-Büros der PYD. Sie dankte der griechischen Zivilgesellschaft für die Solidarität und rief zur internationalen Unterstützung der Demokratischen Selbstverwaltung in Nord- und Ostsyrien auf: „Dieses Projekt bietet nicht nur den Kurd:innen, sondern allen Völkern des Nahen Ostens eine demokratische Perspektive – auch für Palästina.“

Begdaş stellte klar, dass ein Waffenverzicht der QSD unter den derzeitigen Bedrohungen durch Dschihadisten nicht möglich sei, und forderte stattdessen verstärkte internationale Kooperation zur Sicherung des Friedens in der Region.