Initiative „Wir brauchen Frieden“
Unter dem Motto „Für ein freies, gleichberechtigtes und demokratisches Land haben wir Forderungen“ haben Aktivist:innen der Initiative „Wir brauchen Frieden“ am Sonnabend in Istanbul und Ankara zu mehr Frieden und Gerechtigkeit aufgerufen. Die Aktionen fanden zeitgleich im Istanbuler Bezirk Beyoğlu und im Stadtteil Kızılay in Ankara statt.
Begleitet von Transparenten mit Aufschriften wie „Jin Jiyan Azadî“ (Frau, Leben, Freiheit), „Wir bestehen auf Frieden“ und „Budget für Frauen – Nicht für Waffen“ skandierten die Teilnehmer:innen lautstark die Parole „Frieden – jetzt sofort!“. In Istanbul beteiligten sich auch Mitglieder der Initiative der kurdischen Friedensmütter an der Kundgebung. Die gemeinsame Erklärung wurde auf Kurdisch von Newroz Ünverdi und auf Türkisch von Feride Eralp verlesen.
Kritik an überhöhten Kriegsausgaben
In der Erklärung übten die Aktivist:innen scharfe Kritik an der Haushaltspolitik der türkischen Regierung. Mehr als zehn Prozent des Staatshaushalts – über 1,6 Billionen Lira – würden in Militär, „Verteidigung“ und Sicherheit investiert. Das seien 1,5-mal so viel wie für das Gesundheitswesen. „Warum wird mehr Geld für Krieg ausgegeben als für das Überleben der Menschen?“, fragten sie. Gleichzeitig sei der Mindestlohn unterhalb der Armutsgrenze und es würden regelmäßig neue Militäroperationen genehmigt.
„Frauen zahlen den Preis des Krieges“
Besonderes Augenmerk legten die Redner:innen auf die Auswirkungen von Krieg und Militarisierung auf Frauen. In einer Atmosphäre staatlicher Gewalt und Straflosigkeit für Straflosigkeit für patriarchale Verbrechen würden Frauen systematisch unterdrückt, ausgebeutet und getötet. Uniformen seien nicht Schutz, sondern häufig Ausdruck zusätzlicher Gewalt: „Soldaten, Spezialkräfte und Beamte genießen faktische Straffreiheit – selbst bei schwersten Verbrechen“, hieß es unter Verweis auf die Fälle der von einem türkischen Soldaten in den Selbstmord getriebenen Kurdin Ipek Er und der kurdischen Studentin Gülistan Doku, die seit über fünf Jahren vermisst wird und mutmaßlich von einem Polizistensohn getötet wurde.
Die Forderung nach einer gleichberechtigten und gewaltfreien Gesellschaft beinhalte deshalb auch ein Ende der Kriminalisierung politischer Opposition, der Entmachtung gewählter Bürgermeister:innen durch staatliche Zwangsverwalter sowie der gezielten Unterdrückung der kurdischen Sprache. Der Fall der Kurdin Fatma Altınmakas, die nach einer Vergewaltigung mangels kurdischsprachiger Hilfe keine Anzeige erstatten konnte und später von ihrem Ehemann ermordet wurde, wurde als tragisches Beispiel genannt.
Drei zentrale Forderungen der Initiative
Die Friedensinitiative formulierte drei konkrete Sofortforderungen:
▪ Entkriminalisierung von politischem Engagement: Abschaffung des Antiterrorgesetzes und Freilassung politischer Gefangener, insbesondere kranker Häftlinge.
▪ Beendigung militärischer Eskalation: Stopp aller grenzüberschreitenden Operationen, Rücknahme von Sperrungen in sogenannten „Sicherheitsgebieten“ und militärischer Aufrüstung.
▪ Rückzug der Zwangsverwalter: Abschaffung des Notstandsdekrets Nr. 674 und Wiederherstellung der lokalen demokratischen Selbstverwaltung.
Die Organisator:innen betonten, dass echter Frieden nur durch soziale Gerechtigkeit, Anerkennung von Minderheitenrechten und ein Ende patriarchaler Machtverhältnisse möglich sei.