„Unsere Rechte sind nicht verhandelbar“
Der in Istanbul ansässige Verein für die Menschenrechte der Frau (tr. „Kadının İnsan Hakları Derneği“, kurz KİH) hat den Rückzug der Türkei aus der Istanbul-Konvention vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) gebracht. Der Schritt folgt auf die Ausschöpfung aller innerstaatlichen Rechtsmittel.
In einer Mitteilung erklärte die Organisation am Freitag, dass sie bereits im April eine Individualbeschwerde in Straßburg eingereicht habe. Darin wird argumentiert, dass der Rückzug unter anderem gegen das Recht auf Vereinigungsfreiheit, auf ein faires Verfahren, auf wirksame Beschwerde sowie gegen das Diskriminierungsverbot verstoße. Die Entscheidung, die allein auf den Willen des Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdoğan zurückgeht, sei nicht gesetzlich legitimiert, nicht verhältnismäßig und in einem demokratischen Rechtsstaat nicht notwendig, so die Beschwerdeführenden.
„Ein Präsident kann unsere Rechte nicht widerrufen“
Die Frauenrechtsorganisation betont, dass der Austritt aus dem Vertrag auf Druck ultrakonservativer und rechtsextremer Gruppen erfolgt sei. Als direkte Folge seien in der Türkei Übergriffe auf Frauen und LGBTIQ+-Personen spürbar angestiegen. In der Erklärung macht der Verein deutlich: „Ein Leben ohne Gewalt, in Freiheit und Gleichheit ist kein Gnadenakt eines Präsidenten – und kann von diesem auch nicht entzogen werden. Unabhängig vom Urteil des EGMR ändert dies nichts an unserer Realität: Wir werden unsere Rechte weiterhin auf der Straße und vor Gericht verteidigen. Die Istanbul-Konvention gehört uns – wir geben sie nicht auf.“
Schutzinstrument gegen Gewalt
Der Rückzug der Türkei aus der Istanbul-Konvention im Jahr 2021 hatte national und international massive Kritik ausgelöst. Das Übereinkommen ist ein vom Europarat 2011 ausgefertigter Vertrag, der 2014 in Kraft getreten ist. Es ist auf europäischer Ebene das erste völkerrechtlich verbindliche Instrument zum Schutz von Frauen, Mädchen und LGBTIQ+ (Lesben, Schwule, Bisexuelle, Trans- und Intergeschlechtliche Menschen) gegen jede Form von Gewalt. Das Abkommen verankert das Menschenrecht auf ein gewaltfreies Leben, definiert Gleichstellungsmaßnahmen und fordert finanzielle Mittel für Gewaltschutz und Gewaltprävention.
Foto: Demonstration gegen den Austritt aus der Istanbul-Konvention im Juli 2021 in Istanbul © Zeynep Kuray / ANF