Hamburger PKK-Prozess fortgesetzt – „Kenanwatch“ nun auch auf Deutsch

Am Hamburger Oberlandesgericht ist der Prozess gegen Kenan Ayaz fortgesetzt worden. Am Morgen fand eine kurze Kundgebung vor dem Gerichtsgebäude statt. Mitglieder der Beobachtungsstelle aus Zypern sprachen ihre Solidarität aus.

Am hanseatischen Oberlandesgericht (OLG) in Hamburg ist am Donnerstag der Prozess gegen den Kurden Kenan Ayaz (Behördenname: Ayas) fortgesetzt worden. Der im Juni von Zypern an Deutschland ausgelieferte Aktivist und Politiker ist nach §§129a/b StGB wegen Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung angeklagt. Er wird beschuldigt, zugunsten der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) Demonstrationen und Kundgebungen in Deutschland organisiert zu haben.

Beim heutigen Verhandlungstag wurde erneut der Polizeibeamte Guido S., der beim Bundeskriminalamt (BKA) die Ermittlungen zur PKK leitet, befragt. S. ist der höchste mit PKK-Verfahren in Deutschland befasste Polizist. Abermals stellte sich heraus, dass das BKA im Fall Ayaz keine neuen inhaltlichen Erkenntnisse hat.

„Es scheint so, als ob die Generalbundesanwaltschaft (GBA) im Rahmen des NATO-Gipfels beim BKA nachgefragt hat, welche Haftbefehle dort noch möglich wären, um Erdoğan etwas anzubieten und sie dann den Fall Ayaz aus der Schublade geholt haben, obwohl sie eigentlich nichts gegen ihn haben“, kommentierte eine Verfahrensbeobachterin das Prozessgeschehen gegen Ayaz.

Kundgebung vor dem Gerichtssaal

Der Europäische Haftbefehl gegen Ayaz war erst im Mai 2022 und damit zwei Jahre nach den letzten relevanten Erkenntnissen zu seiner Person beantragt worden – kurz vor dem NATO-Gipfel, auf dem es um die Aufnahme Schwedens und Finnlands in das Militärbündnis gehen sollte. Die Türkei hatte bekanntermaßen ihre Zustimmung zu dem Beitritt dieser Staaten von der Verfolgung und Auslieferung von angeblichen PKK-Mitgliedern abhängig gemacht.

Ein weiteres Thema waren sogenannte „Anschläge“ der PKK, die offensichtlich vom BKA im Auftrag der GBA in einer Chronik gelistet werden. Dabei, so der Zeuge S., stütze man sich allein auf die Informationen der Seite „Hêzên Parastina Gel“ – der kurdische Name der Guerillaorganisation Volksverteidigungskräfte (HPG). „Beidseitige Gefechte“ würden aber nicht in die Chronik aufgenommen, sondern nur „aktive Aktionen“ der HPG. Die zuständige Dolmetscherin prüfe dann, welche Ereignisse in die Chronik aufgenommen würden.

Zu den Tatorten der angeblichen PKK-Anschläge gab S. an, dass diese „überwiegend im Nordirak“ liegen würden. Das Gericht müsse entscheiden, ob die Chronik trotzdem weitergeführt werde. Außerdem sei es für das BKA nicht einsichtig, wo sich die jeweiligen Gebiete befinden würden, ob in der Türkei oder im Nordirak. Früher seien Anschläge im Irak nicht in die Chronik aufgenommen worden.

Mitglieder der zyprischen Beobachtungsstelle vor dem Hamburger OLG

Prozess wird am 10. Januar fortgesetzt

Der Prozess gegen Kenan Ayaz wird am 10. Januar 2024 um 9:30 Uhr mit einer weiteren Anhörung des Türkeiexperten Dr. Seufert fortgesetzt. Am selben Abend ist eine Veranstaltung mit Vertreter:innen des zyprischen Parlaments und des Europaparlaments geplant. Der Ort wird noch bekanntgegeben. Derweil gab die zyprische Beobachtungstelle, die den Hamburger Prozess begleitet, bekannt, dass die Internetseite Kenanwatch nun auch auf Deutsch zugänglich ist: https://kenanwatch.org/de/category/die-gerichtsverfahren