Vier Verletzte durch Drohnenangriff in Şengal

Bei einem türkischen Drohnenangriff in Şengal sind vier Menschen verletzt worden, darunter Journalist:innen ezidischer Medieneinrichtungen. Die Killermaschine nahm das Fahrzeug ins Visier, in dem die Reporter:innen unterwegs waren.

NATO-Armee bombardiert Genozid-Überlebende

Die türkische Luftwaffe hat abermals das ezidische Siedlungsgebiet Şengal (Sindschar) im Nordwesten des Irak angegriffen. Im Visier einer Kampfdrohne war ein Fahrzeug, in dem sich zwei Korrespondent:innen von Çira TV und Çira FM befanden. Sie wurden mit mittelschweren Verletzungen in eine Klinik in Şengal gebracht, teilte die autonome Sicherheitsbehörde Asayîşa Êzdîxan mit. Der Zustand des Wagenfahrers sei allerdings kritisch. Er liege mit lebensgefährlichen Verletzungen in einem Krankenhaus in Mûsil (Mosul), hieß es. Eine vierte Person wurde in einem anderen Fahrzeug leicht verletzt, als dieses von dem bombardierten Wagen gestreift wurde. Die Asayîşa Êzdîxan und irakische Sicherheitskräfte haben die Angriffsstelle abgesperrt und die Ermittlungen aufgenommen.

Der Drohnenangriff auf das Fahrzeug ereignete sich am Montagvormittag unweit des Distriktzentrums von Şengal. Das Team der ezidischen Radio- und Fernsehsender kehrte zu dem Zeitpunkt aus dem südlich des Şengal-Gebirges gelegenen Dorf Tel Qeseb (Tal Qasab) zurück, als es auf der Verbindungsstraße von der Killermaschine erfasst wurde. Die Ortschaft zählt zu jenen Orten im ezidischen Kerngebiet, in denen die Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS) im August 2014 einen Genozid und Femizid verübt hatte. Die Journalist:innen waren dort hingefahren, um mit Überlebenden Interviews für eine Sendung anlässlich des bevorstehenden Jahrestages der IS-Massaker zu führen.

Die von der Drohne abgeworfene Bombe schlug in der Fahrzeugfront ein | Foto: Asayîşa Êzdîxan via RojNews

Drohnenterror gegen Genozid-Überlebende

Şengal ist das letzte zusammenhängende Siedlungsgebiet der ezidischen Gemeinschaft. Unter dem Vorwand der Terrorbekämpfung kommt es dort seit 2017 vermehrt zu Luftschlägen durch türkische Kampfflugzeuge und Drohnen. Konkrete Ziele sind zumeist Einrichtungen der Autonomieverwaltung von Şengal, die Selbstverteidigungseinheiten YBŞ/YJŞ und Zivilpersonen. Bei den Opfern dieser Angriffe handelt es sich hauptsächlich um Überlebende des Völkermords von 2014.

Der letzte bekannte Drohnenangriff der Türkei in Şengal war Anfang April verübt worden. Damals wurde ebenfalls ein Fahrzeug attackiert, zwei Frauen wurden verletzt. Bei einem Angriff im März war Mecdel Feqîr, ein Kommandant der Widerstandseinheiten Şengals (YBŞ), ermordet. Die Killermaschine hatte nahe Til Êzêr einen Kontrollpunkt bombardiert, an dem Feqîr im Einsatz war. Er wurde 32 Jahre alt und hinterließ Frau und Sohn. Wenige Tage zuvor war in Şengal bereits der Zivilist Sadun Mirza Ali von einer türkischen Drohne getötet worden. Der Ezide war Vater von drei Kindern und arbeitete als Fahrer für das Gefallenenkomitee der Selbstverwaltung. 

Der Deutsche Bundestag hat den IS-Genozid von 2014 als Völkermord an den Ezid:innen anerkannt. Die Bundesregierung steht jedoch bei den Massakern an der kurdischen Bevölkerung, egal in welchem Teil Kurdistans, grundsätzlich, stillschweigend und praktisch auf der Seite der Türkei. So wurden in den vergangenen Monaten zahlreiche Ezidinnen und Eziden aus Deutschland in den Irak abgeschoben, obwohl die Ampel die Rückführungen von ezidischen Geflüchteten im vergangenen Jahr noch als „unzumutbar“ bezeichnet hatte. In einigen Bundesländern ist die Abschiebung ezidischer Frauen und Kinder vorübergehend ausgesetzt worden.