Türkischer Drohnenterror: Ein Schwerverletzter in Şengal

Eine türkische Kampfdrohne hat Til Êzêr in der Şengal-Region im Nordirak bombardiert. Ersten Angaben zufolge wurde ein YBŞ-Kämpfer schwer verletzt.

Türkischer Drohnenkrieg

Die Türkei hat das ezidische Siedlungsgebiet Şengal im Nordirak mit einer Drohne angegriffen. Der Luftangriff erfolgte am späten Freitagnachmittag in der Nähe der Ortschaft Til Êzêr. Ersten Angaben zufolge ist ein Kämpfer der Widerstandseinheiten Şengals (YBŞ) schwer verletzt worden. Weitere Informationen liegen derzeit nicht vor, die Sicherheitskräfte haben sich noch nicht geäußert.

Türkische Aggression gegen Şengal

Das im südlichen Kurdistan beziehungsweise im Nordwesten des Iraks gelegene Şengal (dt. Sindschar) ist das letzte zusammenhängende Siedlungsgebiet der ezidischen Gemeinschaft. Unter dem Vorwand der Terrorbekämpfung kommt es dort seit 2017 vermehrt zu Luftschlägen durch türkische Kampfflugzeuge und Drohnen. Konkrete Ziele sind zumeist Einrichtungen der Autonomieverwaltung von Şengal, die Selbstverteidigungseinheiten YBŞ/YJŞ und Zivilpersonen. Bei den Todesopfern handelt es sich hauptsächlich um Überlebende des 2014 von der Terrororganisation „Islamischer Staat“ (IS) verübten Genozids in Şengal. Zuletzt wurde am 29. Februar der Zivilist Sadun Mirza Ali von einer türkischen Drohne getötet. Der Ezide war Vater von drei Kindern und arbeitete als Fahrer für das Gefallenenkomitee. Ende Dezember kamen fünf Arbeiter aus Rojava bei einem Drohnenangriff in Şengal ums Leben.

Alle Angriffe in Şengal sind eine Fortsetzung des Völkermords

Die Gemeinschaft der Gesellschaften Kurdistans (KCK) bewertet die tödlichen Anschläge als Angriff auf den freien Willen der ezidischen Gemeinschaft. „Der türkische Staat will den Völkermord an den Ezid:innen vollenden, den der IS nicht vollenden konnte. Alle Angriffe auf Şengal dienen diesem Zweck“, erklärte die KCK Anfang März.

Die türkische Regierung gibt vor, in Şengal ausschließlich gegen Stellungen der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK), die das ezidische Volk gegen den IS verteidigt hatte und seit 2018 nicht mehr in der Region präsent ist, vorzugehen und beruft sich dabei auf das Selbstverteidigungsrecht nach Artikel 51 der UN-Charta. Zahlreiche Organisationen und Gremien, darunter auch der Wissenschaftliche Dienst des Bundestags, weisen dagegen auf Verstöße der Türkei gegen das Gewaltverbot hin, da es gar keine Selbstverteidigungssituation gebe.

Der Deutsche Bundestag hat den IS-Genozid von 2014 als Völkermord an den Ezid:innen anerkannt. Die Bundesregierung steht jedoch bei den Massakern an der kurdischen Bevölkerung, egal in welchem Teil Kurdistans, grundsätzlich, stillschweigend und praktisch auf der Seite der Türkei. So wurden in den vergangenen Monaten zahlreiche Ezidinnen und Eziden aus Deutschland in den Irak abgeschoben, obwohl die Ampel die Rückführungen von ezidischen Geflüchteten im vergangenen Jahr noch als „unzumutbar“ bezeichnet hatte. In einigen Bundesländern ist die Abschiebung ezidischer Frauen und Kinder vorübergehend ausgesetzt worden.