YBŞ-Kommandantur: Mecdel Feqîr ist gefallen

Der YBŞ-Kommandant Mecdel Feqîr ist bei einem türkischen Drohnenangriff in der Şengal-Region im Nordirak schwer verwundet worden und erlag heute seinen Verletzungen. Die YBŞ erklären, ihren Verteidigungskampf fortzusetzen.

Völkermord an der ezidischen Gemeinschaft in Şengal

Bei dem türkischen Drohnenangriff in der Şengal-Region am Freitag ist der YBŞ-Kommandant Mecdel Feqîr ums Leben gekommen. Das teilte die Kommandantur der Widerstandseinheiten Şengals (YBŞ) heute mit: „Der türkische Besatzerstaat hat Şengal ein weiteres Mal brutal angegriffen. Diese Angriffe zeigen, dass der türkische Staat den Genozid am ezidischen Volk fortsetzen will. Es finden sehr ernste Angriffe auf das Recht der ezidischen Gemeinschaft auf Selbstverteidigung und Selbstverwaltung statt.“

Die YBŞ weisen darauf hin, dass der türkische Staat seit der Niederlage des IS in der Region die nach dem Völkermord vom 3. August 2014 aufgebauten Verteidigungskräfte und die Selbstverwaltung zu zerstören versucht. Um seine Besatzungspläne umzusetzen, habe der türkische Staat den Druck auf die irakische Regierung und andere Kräfte in der Region erhöht. Die Angriffe seien eine Drohung gegen rückkehrwillige Ezid:innen, die 2014 vor dem IS flüchten mussten. Dass der letzte tödliche Angriff am Weltfrauentag 8. März durchgeführt wurde, habe zudem eine besondere Bedeutung. Die türkische Aggression richte sich auch gegen die Fortschritte ezidischer Frauen und ein von Frauen angeführtes System.

Mecdel Feqîr hieß mit bürgerlichem Namen Mecdel Hesen Xelef Xelîl und ist 1992 in Xirbatê Qewala bei Til Ezêr geboren. Er gehörte zum Stamm der Feqîran und hatte sich 2016 den YBŞ angeschlossen. Zuletzt war er Bataillonskommandant. Den Angaben zufolge wurde er bei dem Drohnenangriff am Freitag im Gundê Sikeniyê (Reska) schwer verwundet und erlag heute seine Verletzungen. Die YBŞ-Kommandantur spricht seiner Familie und der Bevölkerung von Şengal ihr Beileid aus und erklärt, angesichts der Angriffe nicht zurückzuweichen: „Wir werden unseren gerechten Verteidigungskampf für Şengal fortsetzen und auch die Kollaborateure, die mit dem Feind zusammenarbeiten, zur Rechenschaft ziehen. Wir bekräftigen unser Versprechen an die Gesellschaft, weiter zu kämpfen, bis die Autonomie von Şengal garantiert wird.“

Hintergrund: Türkische Aggression gegen Şengal

Das im südlichen Kurdistan beziehungsweise im Nordwesten des Iraks gelegene Şengal (dt. Sindschar) ist das letzte zusammenhängende Siedlungsgebiet der ezidischen Gemeinschaft. Unter dem Vorwand der Terrorbekämpfung kommt es dort seit 2017 vermehrt zu Luftschlägen durch türkische Kampfflugzeuge und Drohnen. Konkrete Ziele sind zumeist Einrichtungen der Autonomieverwaltung von Şengal, die Selbstverteidigungseinheiten YBŞ/YJŞ und Zivilpersonen. Bei den Todesopfern handelt es sich hauptsächlich um Überlebende des 2014 von der Terrororganisation „Islamischer Staat“ (IS) verübten Genozids in Şengal. Zuletzt wurde am 29. Februar der Zivilist Sadun Mirza Ali von einer türkischen Drohne getötet. Der Ezide war Vater von drei Kindern und arbeitete als Fahrer für das Gefallenenkomitee. Ende Dezember kamen fünf Arbeiter aus Rojava bei einem Drohnenangriff in Şengal ums Leben.

Alle Angriffe in Şengal sind eine Fortsetzung des Völkermords

Die Gemeinschaft der Gesellschaften Kurdistans (KCK) bewertet die tödlichen Anschläge als Angriff auf den freien Willen der ezidischen Gemeinschaft. „Der türkische Staat will den Völkermord an den Ezid:innen vollenden, den der IS nicht vollenden konnte. Alle Angriffe auf Şengal dienen diesem Zweck“, erklärte die KCK Anfang März.

Die türkische Regierung gibt vor, in Şengal ausschließlich gegen Stellungen der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK), die das ezidische Volk gegen den IS verteidigt hatte und seit 2018 nicht mehr in der Region präsent ist, vorzugehen und beruft sich dabei auf das Selbstverteidigungsrecht nach Artikel 51 der UN-Charta. Zahlreiche Organisationen und Gremien, darunter auch der Wissenschaftliche Dienst des Bundestags, weisen dagegen auf Verstöße der Türkei gegen das Gewaltverbot hin, da es gar keine Selbstverteidigungssituation gebe.

Der Deutsche Bundestag hat den IS-Genozid von 2014 als Völkermord an den Ezid:innen anerkannt. Die Bundesregierung steht jedoch bei den Massakern an der kurdischen Bevölkerung, egal in welchem Teil Kurdistans, grundsätzlich, stillschweigend und praktisch auf der Seite der Türkei. So wurden in den vergangenen Monaten zahlreiche Ezidinnen und Eziden aus Deutschland in den Irak abgeschoben, obwohl die Ampel die Rückführungen von ezidischen Geflüchteten im vergangenen Jahr noch als „unzumutbar“ bezeichnet hatte. In einigen Bundesländern ist die Abschiebung ezidischer Frauen und Kinder vorübergehend ausgesetzt worden.