Weil sie „staatsfeindliche Berichterstattung“ betrieben haben sollen, wurden die kurdischen Journalisten Ferhat Çelik und Idris Yayla von einem türkischen Gericht in Wan (tr. Van) zu je 15 Monaten Freiheitsstrafe verurteilt. Der bereits am Donnerstag an der zweiten Strafkammer des Schwurgerichts Van gesprochene Urteilsspruch steht im Zusammenhang mit der sogenannten Hubschrauber-Folter des türkischen Militärs an zwei kurdischen Dorfbewohnern, die für einen der beiden Männer tödlich endete. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
Der konkrete Vorwurf gegen Çelik und Yayla lautet: Verstoß gegen Paragraf 6/1 des türkischen Antiterrorgesetzes. Der Artikel regelt das „Verbot der Enthüllung der Identität von Personen, die mit der Terrorbekämpfung befasst sind, oder anderer Personen, die so zur Zielscheibe von Gewalttaten werden könnten, ferner die Ankündigung, dass gegen bestimmte feststellbare Personen von Terroristen Gewalttaten begangen werden könnten“. Nicht erforderlich ist, dass es tatsächlich zu einem Anschlag gegen die genannten Personen kommt.
Osman Şiban und Servet Turgut waren im Spätsommer 2020 in der Nähe von Şax (Çatak) bei Wan während der Feldarbeit von Soldaten einer türkischen Operationseinheit festgenommen worden. Nach schwerer Folter wurden beide Männer aus einem Militärhubschrauber gestoßen, wobei sie schwere Verletzungen erlitten. Sie wurden in zwei verschiedenen Krankenhäusern der Provinz abgeliefert – dem medizinischen Personal erklärte das Militär, es handele sich um „PKK-Terroristen“, die bei der versuchten Flucht aus einem Helikopter verletzt wurden. Şiban überlebte das Martyrium, bleibt aber für den Rest seines Lebens schwer gezeichnet. Außerdem wurde der heute 53-Jährige kürzlich zu siebeneinhalb Jahren Freiheitsstrafe verurteilt. Servet Turgut verstarb nach zwanzig Tagen im Koma im Alter von 55 Jahren. Er hinterließ sieben Kinder.
Ferhat Çelik (l.) und Idris Yayla | Foto: MLSA
Den Fall aufgedeckt hatten fünf kritische Medienschaffende, die aufgrund ihrer Berichterstattung ein halbes Jahr lang in Untersuchungshaft saßen. Ihnen war gleichermaßen vorgeworfen worden, staatsfeindliche Berichterstattung betrieben zu haben. Çelik, der Eigner und verantwortlicher Redakteur der Nachrichtenagentur Mezopotamya (MA) ist, hatte damals aufgedeckt, dass der Staatsanwalt, der hinter der Anklage gegen die Presseleute stand, jener war, der auch die Ermittlungen zur Hubschrauber-Folter leitete. Idris Yayla hatte den MA-Bericht übernommen und ungekürzt auf seinem Nachrichtenmedium Jiyan Haber veröffentlicht. Allein deshalb wurden sie angeklagt und verurteilt.
Im Fadenkreuz der türkischen Justiz
Ferhat Çelik und Idris Yayla, die beide in der Tradition der freien kurdischen Presse arbeiten, stehen seit Jahren im Fadenkreuz der türkischen Justiz. Mehrmals wurden sie festgenommen und mussten sich diverse Male wegen ihrer journalistischen Tätigkeit vor Gericht verantworten. Der Vorwurf lautete in den meisten Fällen „Verbreitung von Propaganda einer Terrororganisation“. Im Jahr 2020 war Çelik mehrere Monate in Untersuchungshaft, weil ihm und sieben weiteren Journalist:innen wegen ihrer Berichterstattung über den Tod eines Mitarbeiters des türkischen Geheimdienstes MIT in Libyen „Verstoß gegen das Geheimdienstgesetz“ vorgeworfen wurde. Im selben Jahr war auch Yayla festgenommen worden – weil er über den Selbstmord von Ipek Er berichtet hatte. Die 18-Jährige war tagelang von einem türkischen Unteroffizier unter Drogen gesetzt und vergewaltigt worden. 2021 erhielt Yayla Morddrohungen, vor seiner Wohnung wurden Schüsse abgegeben.