Gegen den kurdischen Journalisten Ahmet Kanbal ist ein weiteres Ermittlungsverfahren eingeleitet worden. Dem Korrespondenten der Nachrichtenagentur Mezopotamya Ajansı (MA) wird seine Berichterstattung über die extralegale Hinrichtung eines Zivilisten durch die türkische Armee in der Provinz Mêrdîn (tr. Mardin) vorgeworfen. Bei dem Zivilisten handelt es sich um Lokman Görgün, einen Vater von acht Kindern, der zusammen mit seinem Neffen, dem unbewaffneten HPG-Kämpfer Musa Kahraman (Nom de Guerre: Xebatkar Bagok), am 8. April in der Nähe des Dorfes Cinata getötet wurde.
Die Generalstaatsanwaltschaft Mardin wirft Kanbal aufgrund seiner MA-Berichte und Beiträgen in digitalen Netzwerken über den Fall die Verbreitung von Falschinformationen vor. Am Freitag wurde der Journalist von der Polizei vorgeladen. Kanbal kam der Vorladung in Begleitung eines Rechtsbeistands nach. Im Verhör wurden Görgün und Kahraman als PKK-Mitglieder bezeichnet. Kanbal erklärte zu den Vorwürfen, dass Lokman Görgün ein 53-jähriger Vater von acht Kindern war, der in seinem Dorf von der Viehhaltung lebte. Anders als vom türkischen Innenminister Süleyman Soylu behauptet, sei Görgün eindeutig ein Zivilist gewesen. Er selbst habe als Journalist über die Verletzung des Lebensrechts eines Zivilisten berichtet, so Ahmet Kanbal.
Seit Jahren im Fadenkreuz der türkischen Justiz
Ahmet Kanbal steht seit Jahren im Fadenkreuz der türkischen Justiz. In etlichen Verfahren musste sich der Journalist wegen vermeintlicher Terrorpropaganda verantworten, etwa wegen Berichten über Korruption und Klientelismus in den zwangsverwalteten Rathäusern in kurdischen Städten oder zu Artikeln im Zusammenhang mit dem türkischen Angriffskrieg gegen den ehemals selbstverwalteten Kanton Efrîn in Nordsyrien 2018. Vor einem Jahr wurde Kanbal wegen „Benennung von Akteuren im Kampf gegen den Terror” zu einer Haftstrafe von einem Jahr und drei Monaten verurteilt. Das Verfahren ging auf die Anzeige von Musa Çitil, eines berüchtigten Kommandeurs der Militärpolizei zurück. Dieser hatte sich an einem Beitrag des Journalisten auf Twitter echauffiert, in dem es um seine Vergangenheit als Vergewaltiger im Dienste des Staates ging. Im Berufungsverfahren wurde das Urteil aufgehoben und Kanbal freigesprochen.